Sehr blaues Wasser

Von Dorothe (Fotografie) und Michael (Text) – Ein sehr guter Freund antwortete mir mal auf die Frage, warum er seine Reisen nicht fotografisch festhalte, wenn es ihm irgendwo sehr gefalle, fahre er noch einmal hin. Uns hatte im vergangenen Sommer das Schnalstal großen Spaß gemacht,

…was lag da also näher, ihm einen erneuten Besuch abzustatten? Es gibt dort nämlich ein Juwel, auf das man unbedingt ein Auge werfen sollte: den Vernagt-Stausee (1689 m). Auf unserer Bergtour auf die Nockspitze hatten wir ihn quasi am Weg liegen lassen müssen, und jetzt parken wir am Staudamm, um das Versäumnis nachzuholen.

Eine stille Schönheit

Allein der Anblick des sehr blauen Wassers kann dich in den Zustand freudiger Erwartung versetzen: glasklar, durchsichtig am Ufer, alle Facetten von Türkis funkeln von der windgekräuselten Oberfläche. Eine stille Schönheit, die nur der Lake Louise in den kanadischen Rocky Mountains übertreffen könnte – aber den müsste man sich erst mal wieder ansehen… Der Damm oberhalb des Ortes Unsere Frau im Schnalstal fügt sich mit seinem Grün in die rauhe Berglandlandschaft ein, der Rasen gepflegt wie im BVB-Stadion.

Wir gehen die Seerunde gegen den Uhrzeigersinn, wer sich die Höhepunkte der rund achteinhalb Kilometer langen Wanderung bis zuletzt bewahren will, dreht anders herum. Vor allem für jene, die noch im Finail- oder Tisenhof einkehren möchten, die empfehlenswertere Variante. Vom Parkplatz aus steigen wir zum Tisenhof (1814 m) auf. Es ist gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass der „Ötzi” diese Stelle vor Jahrtausenden auf seinem Weg zum Tisenjoch (3208 m) passierte, ehe der heiße Sommer 1991 die gut erhaltene Mumie aus der Kupfersteinzeit aus dem Eis taute.

Ein Fall für die Postkartenhersteller

Unten liegt Vernagt, zwei Handvoll Häuser mit einem Kirchlein, der See schimmert als opak-blaue Scheibe. In der (Frühseptember-) Nacht hat der Winter vorbeigeschaut, die 3000er haben sich die Nasen gepudert. Gibt es eigentlich noch Postkarten, schreibt sie irgendwer noch wem? Vor allem: Gibt es noch Postkartenhersteller und wenn ja, dann müssen sie zwingend hierher, denn dieses Motiv gehört ins ewige Bilderbuch der Postkartenmaler.

Der Pfad zum Finailhof unter dem Drei Warter ist ab und zu sehr luftig, selbst die Wiesen fallen hier fast lotrecht ab und sind dennoch akkurat gemäht. Gegenüber überhalb des Sees ragt die Nockspitze auf, eher ein wuchtiger, runder Klotz (daher auch sein Name) denn ein gratiger Steinriese. Die Welt unter uns schnurrt zu einer Spielzeugwelt zusammen, Menschen und Tiere winzig wie die putzige Bestückung einer Modelleisenbahn.

Vier klobige, denkmalgeschützte Bauten

Hinter dem Finailhof steigen wir zum See hinab. Die vier klobigen, denkmalgeschützten Holzbauten hat vor Jahrhunderten der Mantel der „Gechichte” (danke, Helmut Kohl!) gestreift. Die Bauern gewährten im Jahr 1416 Herzog Friedrich IV. Unterschlupf auf seiner Flucht, zum Dank erhielten sie einen Becher mit einem in den Boden eingelassenen Zürcher Taler, so heißt es. Wikipedia weiß jedoch, dass die Münze jünger und in den Becher die Jahreszahl 1567 eingraviert ist. Seine aktuelle Gravität bezieht das Ensemble ohnehin nicht aus derlei Nichtigkeit.

Immer wieder dieses Blau!

Wer dann zurückkehrt aus der Kargheit der Höfe ins Tal, der wird Einrichtungen wie den „Ötzi Rope-Park” mit gemischten Gefühlen betrachten. Es kann ja auch nicht sein in unserer Zeit, dass die Bergwelt ohne Halligalli auskäme. Eine schmale Hängebrücke führt über eine tiefe Schlucht ans Südufer des Stausees, am Grund brodelt der Schnalsbach und leckt unermüdlich die Felsen rund. Beeindruckende Naturgewalt!

Spätstückchen am Ufer mit Knoppers, den Finger ins Wasser tauchen, brrrr!, immer wieder dieses Blau, das dich narrisch macht. Sicher, der Bau des Staudammes war ein erheblicher Eingriff in die Bergwelt, er hat einen Ort zerstört – acht aufgegebene Höfe liegen auf dem Seegrund -, und die Ökologie des Schnalstales verändert, aber auch ein blaues Juwel hinterlassen, eingerahmt von einer einzigartigen Alpenkulisse. Ist man zu alt und zu sentimental, wenn eine solche Szenerie als wunderbar empfindet?

Doro_80x80Michael_Autor

Die Tour wurde aufgezeichnet mit der App outdooractive:

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