Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Wenn eine Wanderung aus vielen Abkürzungen besteht und trotzdem immer länger wird, ja, was haben wir dann: Ein Paradoxon, um tief in die Ontologie des Wanderns einzutauchen? „Ambulo, ergo sum“ (Ich schlendere, also bin ich*), der Satz könnte von Franz stammen. Joah, 15 Kilometer heute, machbar, oder?
Über dem Friedhof der St.-Pankratius-Gemeinde in Sundern-Stockum stoßen wir nach ein paar Metern auf einen weiteren. 1846 stellten mehrere Mitbürger den Antrag auf einen „Totenhof“. Spätestens seit 1854 wurde das Flurstück als jüdischer Friedhof geführt. Oh Wunder, er ist nicht beschmiert oder geschändet! Das liegt vermutlich daran, dass der Friedhof im Sauerland liegt und nicht in einem Shithole namens Berlin, in dem seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel Judenhaß öffentlich ausgelebt und jüdische Wohnungen mit dem Davidstern „gekennzeichnet“ werden.

Ist das Kunst und gehört dahin?

Wiederum nur ein paar Meter weiter sitzt Kermit, der Frosch aus der Sesamstraße bzw. der „Froschkönig“ auf einem überdimensionalen Stahlstuhl, weitere Installationen („Onk“, „Wildbret mit Bowle“, „Faules Ei“) folgen. Vermutlich handelt es sich um Kunst (Grundkurs, 9. Klasse?) und gehört dahin. Am Wegrand hinter dem Sportplatz von Stockum ein weiteres, bizarres Kunstobjekt, oder ist es eine vergessene Baggerschaufel? Nee, beim Näherkommen entdeckt man die Reste einer kaputten, verrosteten Schranke mit Betonklumpen. Lästermaul ab hier: zu.

Bücher, Bücher

Der Weg hat Schatten- (matschig) und Sonnenseiten (pfadig), und wenn es die Konzentration auf den Untergrund zulässt, reden wir über Bücher. Kraftvoll: Louise Erdrich mit „Haus des Windes“, mit überraschenden Schlusswendungen Martin Suters „Melody“, wie immer schafft unser Lieblingsautor Thomas Coraghessan Boyle Figuren, die er in „Blue Skies“ vor dem Hintergrund des Klimawandels bizarr scheitern lässt.

Blatthohe Bleiwüsten

Auch Twitter, jetzt X, ist ein Thema, weil dauerhafter Konsum der Kurznachrichten das Leseverhalten ändert. Man wird ungeduldig mit langen Texten, vor allem wenn sie in der Tageszeitung stehen, verfasst von Kolleginnen und Kollegen, die nicht mehr das Wesentliche einer Nachricht formulieren können/wollen. Die Essenz des Berichts im Vorspann, dann die Geschichte logisch und mit abnehmender Relevanz entwickeln und die Schlusspointe nicht vergessen. Stattdessen: langweilige Bleiwüsten blatthoch, die als Storytelling verkauft werden.

Fachblatt für Ladenöffnungen/schließungen

Stichwort Relevanz: Franz beklagt die Qualität seines Dortmunder Lokalteils, der hauptsächlich aus Eröffnungen und Schließungen von Läden und Dönerbuden besteht. Ist hier im Kreis Olpe ebenso, das Lokalblatt wollte kürzlich seinen Lesern weismachen, dass die xte Wiedereröffnung einer Dönerbude nahe Lennestadt-Sporke „etwas komplett Neues“ ist.
Wie das so ist, beim Quatschen, irgendwann ereilt den Wanderer die „angeborene Verlorenheit im Gelände“, wie es ein früherer WR-Chefredakteur mal in einer Kolumne schrieb. Zigmal sind wir schon von der Route abgewichen, „wir gehen jetzt kreuz und quer“, wie Cheftourenplaner Franz feststellte, und deshalb nehmen wir nur noch Abkürzungen.

Unberührter Waldboden

Eine davon führt via Höhenweg über den Kaltenberg. Der Trail „Zeitspuren Sundern“: Wahnsinn! Nahezu ungespurt, nicht mal ein Trampelpfad weist den Weg, sondern nur Zeichen an den Bäumen, wandern wir über nahezu unberührten Waldboden.
Irgendwann murmelt Franz besorgt, das werden doch mehr als 15 Kilometer, obwohl wir viele Abkürzungen gegangen sind. Ein Paradoxon. Je mehr Abkürzungen Du gehst, desto länger die Strecke. Und eine weitere führt auf einem Pfad am Sportplatz durch Douglasien, Kiefern und Lärchen zur Bergmer-Kapelle hoch. Joah, sehr schön.
Am Wagen angelangt meint Franz mit Blick auf sein digitales Streckenmeter verblüfft: Es sind ja doch nur 15 Kilometer geworden. Liegt vermutlich: an den vielen Abkürzungen.
* keine Garantie für die Richtigkeit der Übersetzung.