Münte und der Uhu

Von Michael (Text) und Franz (Fotografie) – Schon der alte Goethe wusste: „Die beste Bildung erfährt ein gescheiter Mensch auf Reisen“ – Dieses Zitat am Bestwiger Bahnhof passt wie die Faust aufs Auge aufs Wandern, denn was ist es anderes als Reisen im Grünen? Die Tour von Bestwig über den Lörmecketurm und Eversberg nach Meschede bescherte uns außerdem Aufschluss über den Unterschied zwischen Franz Müntefering und einem Uhu.

Der Einstieg in diese Wanderung ist hinter dem Bestwiger Bahnhof ein wenig tricky: man muss auf die Firma Klostermann zuhalten, auch wenn Schilder signalisieren: Firmeneinfahrt. Kurz vorher geht es links auf einen schmalen Weg, der um das Firmengelände herum führt. Das war es dann auch schon mit Bestwig, wir – wieder in wandervereinsfähiger Stärke (3) unterwegs, asten steil zu einem Teilstück der Weiterführung der A 46 zu. Pralle Betonstempel stützen das Brückenteil, einige Pfeiler sind mit rostendem (und schützendem Corten?-) Stahl umhüllt. „Betreten der Baustelle verboten – Eltern haften für ihre Kinder” steht da. Weil wir keinen strengen Vater mehr und keine Kinder bei uns haben, haften wir für uns selbst und schreiten frech unter der Brücke hindurch. Sinnigerweise stoßen wir oben auf der Anhöhe kurz vor Föckinghausen auf ein winziges Schild, das Wanderer in Gegenrichtung über eine Umleitung der Waldroute (Baustelle!) informiert. Haben wir auf unserer Fahrbahn a) nicht gefunden, b) übersehen, c) war nicht vorhanden.

Das drüsige Springkraut duftet intensiv

Ach ja, bevor wir das vergessen: Hier kommt der Uhu ins Spiel, der – vermutlich von uns aus dem Morgenschlaf verschreckt – elegant davonsegelt, rostrot und, nach einem kurzen Flappen, geräuschlos. Hinter Föckinghausen passieren wir die Holzkohlenmeilergedächtnisstätte, dann wird das Gelände offen mit breiten Wanderwegen. Das drüsige Springkraut links und rechts, ein Pflanzenmigrant aus Indien, verströmt in der feuchten Kälte einen betörenden Duft, der an Schlüsselblumen erinnert. Ja, es ist zugig und kühl, offenbar unsere erste Herbstwanderung in diesem Jahr.

Perl- oder giftiger Pantherpilz?

Am Gemeinheitskopf (549 m) lernen wir: ist eine Kreuzung der wichtigen Hauptwanderrouten X1 und X14. Dann tauchen andere Köpfe am Wegesrand auf, klein und orangefarben: Pfifferlinge. Martin räumt mit einem Rollgriff einen kleinen Pfiffi-Claim aus und scannt fürderhin durchs Unterholz, bringt frische, größere Pilze mit, deren Genießbarkeit sich nicht sofort erschließt. Sind es essbare Perl- oder giftige Pantherpilze? Wir werden es nach Martins Mahlzeit wohl erfahren.

Weitblicke auf dem Lörmecketurm

Weil der Lörmecketurm vom Warsteiner Kopf, wo man in einer kleine Schutzhütte rasten kann, nur einen Steinwurf entfernt ist, machen wir uns anschließend auf und werden belohnt mit einer der besten Aussichten über das östliche Hochsauerland. In Klammern: geil, definitiv!

Der 35 Meter hohe Turm besteht aus einer verzinkten Stahl-Treppenspindel, die, quasi als Außenhaut, von verschränkten Douglasienstämmen umhüllt wird. Diese Durchsichtigkeit der Konstruktion garantiert auf der Plattform in rund 615 Metern Höhe fühlbaren Kontakt mit der näheren Umgebung und eine einzigartige Aussicht. Immer mit reichlich Luft unter die Fias schaust Du über den Plackwald und das Hochsauerland, Schilder erläutern, auf was Du guckst, Du siehst sogar den Regen, den es in einer halben Stunde geben wird, sprich: dräuende Wolken aus Westen jagen heran. Da hinten liegt Eversberg, da müssen wir hin.

Malerische Fachwerkhäuser

Der Hügel unter der Ruine der Eversburg ist einmaliges Ensemble gut erhaltener Fachwerkhäuser (Franz, zeig mal Fotos!). Martin hat ein Hüngerchen, und wir bereuen die Einkehr in die Backstube Hahne nicht. Der Zwetschgenkuchen: echt wirklich garantiert noch höchstpersönlich selbst gebacken, und der Kaffee resp. Cappuccino: klasse, man schmeckt Schokolade- und Kakaonoten. Auch so etwas findet man in einer Bäckerei nicht alle Tage (Danke, Frau Pieper!).

„Münte gleitet in den Emscherpfeil”

Oben, von der Burgruine über Eversberg, schauen wir zurück zum Lörmecketurm (schon unglaublich, wie weit Menschenbeine tragen) und machen uns über die rauschige A46 auf den Abstieg zum Mescheder Bahnhof. Unsere zweite vollökologisch-nachhaltige Wanderung mit Anreise per Bahn und wiederverwendbaren Butterdosen, und was sollen wir sagen: Zwei Minuten vor der stündlichen Abfahrt des RE57 schlagen wir auf dem Bahnsteig auf. So eine präzise Tourenplanung kann man nicht lernen. Martin moppert: Wir hätten es ja ein wenig langsamer angehen können, sprich: zwei Minuten zu früh.

Bleibt die Sache mit Münte und dem Uhu. Es gibt keinen Unterschied. Der alte Sauerländer gleitet am Dortmunder Hauptbahnhof in den „Emscherpfeil” aka RB43, der ihn nach Hause, nach Herne bringt. Elegant und geräuschlos, weise und selten wie ein Uhu, verschwindet er ohne Aufsehen in seinem Abteil. Du siehst ihn nicht, trotzdem ist er da, vielleicht eines der letzten Exemplare eines echten Sozialdemokraten in freier Wildbahn.

Franz_Michael_klein

 

Die Strecke wurde entworfen mit dem Tourenplaner von outdooractive:

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