Schon amtlich, diese Aussicht

Von Michael (Text) und Franz (Fotografie) – Die offizielle Eröffnung der nagelneuen Aussichtsplattform auf der Halde Großes Holz in Bergkamen hatten wir verpasst: Pressetermine sind wir als ausgemusterte Tageszeitungshasen so was von nicht mehr gewohnt. Wir kommen anderthalb Wochen zu spät, haben dafür den Hügel aber nur für uns. Und stellen fest: Von hier oben musst Du mal geguckt haben!

Haldenwandern hat jetzt sogar der DAV für sich entdeckt und die Abkürzung liest sich ausgeschrieben so: Deutscher ALPIN Verein. Normalerweise lächeln DAV-Mitglieder nachsichtig über Erdpickel von 148,1 Metern, wie sie die Bergkamener Halde erreicht. Unter den rekultivierten Hinterlassenschaften des Bergbaus stecken Schlacken, Trümmer, Abraum, „Berge von Arbeit” eben, wie der sehr lesenswerte Artikel im neuen DAV-Magazin Panorama titelt. Kulturlandschaft muss nicht immer Alm sein, resümiert Autor Axel Klemmer über sein Halden-Hopping im Revier.

Weiter Raum zum Trödeln und Träumen

Wir nageln – wieder mal war Bahnstreik angekündigt -, mit dem Schnellbus S30 über die A2 von Dortmund nach Bergkamen. Die Verbindung ist super, der Fahrer gut aufgelegt und rät uns zu einer preiswerteren Tageskarte und weist uns in Bergkamen noch den Weg zur Halde Großes Holz. ÖPeEnnVau, wie wir ihn mögen.

Im Areal der 145 Hektar großen Adener Höhe wächst Breitblättriges Stendelkraut, eine Orchideenart, der Kibitz brütet hier und auch ansonsten nutzt die Natur den durch Menschenhand geschaffenen Großraum für „Eigenkreationen”, heißt es auf einer Informationstafel. Vom Zugang Binsenheide aus steigt die Adener Höhe zügig an – den Begriff Berg bemühen wir züchtigerweise nicht, auch wenn sie zu den größten Halden im Ruhrgebiet zählt. „Geteert”, moniert Franz enttäuscht die Beschaffenheit des Untergrundes, aber links und rechts zweigen Schotterwege ab, viele Wege führen um das Große Holz. Hier hast Du Raum zu gondeln, zu trödeln, zu schlockern, zu träumen oder zu schlendern.

Hier könntest Du stundenlang gucken

Schon die erste Terrasse unterhalb des „Gipfels” läßt dich erwartungsfreudig ahnen, was Du oben bekommst: großes 360-Grad-Kino, sagenhafte Aussicht, ein amtliches Panorama. Man sieht: den Datteln-Hamm-Kanal, in der Region ringsumher Kraftwerke in einer Dichte, die ihresgleichen sucht, den Haarstrang, Dortmund mit Fernsehturm und BVB-Stadion, das Münsterland, Hamm, die Lippeauen und vieles mehr. Es stellt sich das Gefühl wohliger Erhabenheit ein sowie der Gedanke: Wo ist hier die Gipfel-Einkehr? Hier könntest Du stundenlang in einem Biergarten oder einem Gartencafé sitzen und Löcher in die unendlich scheinende Gegend gucken…

Nachts eine pulsierende Stele

Der Gipfelbereich der Adener Höhe ist neu gestaltet mit einer Betonlinse, die die 30 Meter hohe Lichtskulptur „Impuls” der Künstler Maik und Dirk Löbbert umfasst. Bei Tageslicht eine nüchterne, sterile Szenerie, obwohl der umlaufende Betonkragen mit künstlerischen Graffiti versehen ist; nachts ist die Stele eine pulsierende, weithin sichtbare Landmarke – sehen und gesehen werden. Unterhalb des Betons liegt Blau in satten Farben. Der wogende, dichte Wiesensalbei ist eine echte Augenweide. Darüber schaukeln zwei Schwalbenschwänze, übrigens die ersten, die Schmetterlingsfan Franz in Deutschland sieht.

Blau ist (fast) alles

Das Blau ist quasi die Vereinsfarbe der Halde. Man findet es wieder auch im blauen Staudenband an der Nordwestseite, im Lavendel, im Natternkopf, in Kornblumen und Lupinen, in den nachts bläulich schimmernden Leuchttürmen aus Stahl und Plexiglas sowie in den mit Blauglas gefüllten Gabionen an der Bastion.

Wer sich hier oben noch nicht satt gesehen hat, macht einen Abstecher hinunter zum nahen Naturschutzgebiet Beversee. Den sommers dichten Wald erfüllt herrlicher Vogelgesang, ein vielstimmiges Konzert von mehr als 50 Arten, die nachgewiesen wurden. Auf dem Bergsenkungssee blühen gelbe Teichrosen, am Ufer Sumpf-Schwertlilien, über das Wasser jagen Azurjungfern, Plattbauchlibellen, Königslibellen und das Kleine Granatauge.

Wir müssen zurück. Der Schnellbus dieselt schon.

Franz_Michael_klein

 

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