See-Sommer-See

Von Michael (Text) und Franz (Fotografie) – Wenn die Temperatur um die 30-Grad-Marke herum wabert, darfst Du als Ruhri eines nicht tun: Dich ins Dortmunder Volksbad legen oder an den Halterner Silbersee (danke, Frank!). Versuchen wir es also mit dem Esmecke-Stausee, im Sauerland seit Jahrzehnten der geheimste Geheimtipp für Liebhaber verschwiegener Badeseen.

Esmecke-wie? Nur die Ruhe. Wird alles erklärt. Wir haben zuvor eine Runde um den klitzekleinen See bei Eslohe-Wenholthausen gedreht und wurden mit einer prächtigen Sommerwanderung belohnt. Franz fiel bei der ersten Ansicht des Esmecke-Stausees die Kinnlade auf die Knie („Das gibt’s ja gar nicht!”), was bei seiner Größe schon eine ordentliche Fallhöhe bedeutet. Grün schimmernd liegt das Wasser vor der Staumauer, eingefasst von ebenso grünen Wäldern, über die Oberfläche jagen Plattbauchlibellen und Azurjungfern, die Strandwiesen nur spärlich belegt. Aber zunächst schwenken wir ein in eine 14,6 wunderschöne Kilometer lange Wanderung ganz weit rum um den See.

Vor Moitmecke lauert der Lauschgeist

Wir tauchen ein in eine hitzeflirrende Landschaft, genießen Leporello-Panoramen (sind so Bilderstrecken zum Ausklappen, also ziemliche breite Bilder) und kühlen uns auf schattig-lauschigen Waldstrecken wieder ab. Hier gibt es nur saftig-sattes Grün, Grün, Grün und am Hammerkotten im „Moitmecker Saipen” (Mathmecker Siepen) eine niedliche Miniaturdarstellung des Dorfes und zwei Wanderer, die die Zähne nicht auseinanderkriegen. Freundlich gesinnte Sauerländer, die leider keinen Sack Salz dabei haben, oder Niederländer? Schwer zu sagen, weil sie auch untereinander kein Wort wechseln.

Ein Fuchs jagt mit Beute davon

Im Wald vor „Moitmecke” stoßen wir auf den Lauschgeist, die „Installation” eines menschlichen Kopfes (thank you so much, European Union for the money), in dem man mittels innen montierter, biegsamer Abflussrohre für die Ohren, nach außen lauschen kann. Mmmh, das muntere Vogelgezwitscher hört man damit aber nicht mehr. Weiter nach Mathmecke, kurz auf der Wennebrücke verweilt und dann eine zeitlang ihrem Lauf abwärts gefolgt. Wieder Kind sein, das vertraute seifige Gefühl unter den nackten Füßen spüren, die sich im Wasser über veralgte, rutschige Steinplatten tasten, spielen, erforschen, plantschen. Wir strolchen zwischen Wiesen weiter, passieren (wieder einmal) den Sauerland-Radring, treten fast auf einen Frosch, scheuchen ein Fuchs mit Beute im Maul auf: Wer für kurze Zeit das Gefühl der 1960er-Jahre spüren will, ist in Wenholthausen am richtigen Ort.

„Am Wochenende machen sie uns lang”

Und das Beste kommt natürlich zum Schluss: Am See eine Einkehr, von der es im Sauerland mehr geben müsste! An Armins Station gibt es gleich zwei Sorten korrekt temperiertes Weißbier in hell und dunkel und alkoholfrei sowie Frankenwein – dieser Mann kann kein Sauerländer sein. Armin Reitz kommt aus der Würzburger Ecke, was auch das Weißweinangebot und sein immer noch nicht ausgeschliffener Dialekt ahnen lässt. Helene redet übrigens genau wie er. Seit 25 Jahren sind beide im Sauerland, seit 2008 betreiben sie die „Station”. Früher war das hier mal ein Geheimtipp und eine Glückauf-Bude (Glück, wenn sie offen hatte), sagt er mit einem Blick auf das Holzblockhaus mit bestuhltem, lauschigen Eichenhain, und an den Wochenenden brennt hier der sprichwörtliche Baum. „Da machen sie uns lang”, sagt Armin.

Wir nehmen: Bratwurst mit einer großen Portion Krautsalat, Schorle und frisches Franzi. Die Wurst vom Grill schmeckt klasse („Das sagen alle”), Armin bezieht sie von der Schmallenberger Metzgerei Merte (merken).

Cortina Motors ist die Mucke zum See-Sommer

Wenig später liegen wir am Ufer, die Nase auf Grashalmhöhe und Gänseblümchen vor Augen. Arschbombe ins Wasser, Jungs, die uns nachmachen, auf dem Handtuch die Mucke zum See-Sommer: Cortina Motors von der neuseeländischen Gang Fat Freddys Drop, die garantiert niemand unter den Landeiern hier kennt, Europe Central im Rucksack, ein 1000 Seiten fettes Weltkriegs-Opus von William T. Vollmann („preisreduziertes Mängelexemplar”), wer Thomas Pynchon hasst, wird auch ihn hassen, dabei kann Vollmann schwieriger und vielschichtiger schreiben als der manierierte Pynchon, jeder Satz unterlegt mit Ebenen, auf denen du dich verirren kannst. Was für ein unbezwingbarer Brocken!

Apropos Sommerlektüre. Endlich mal ne Gelegenheit, die langweiligen Krimis von Donna Leon zu dissen. Vor der immergleichen Kulisse Venedigs stolpert ein Haufen unglaubwürdiger Charaktere herum. Paola, die es als Universitätsdozentin nebenbei schafft, ihrem Brunetti mittags und abends ein Drei-Gänge-Menü zu kochen, ein Commissario voll leidendem Mitgefühl und tiefer Abscheu angesichts italienischer Korruption, der aber ermittlungstechnisch auf Augenhöhe mit dem vertrottelten Adlatus Alvise steht, weil: Super-Detektivin Signora Elettra, die als Vorzimmerdame des ebenso vertrottelten wie eitlen Vice-Questores Patta die richtige Nase für die Lösung des Falles besitzt.

Aber wir wollen uns nicht aufregen an diesem schönen Tag. Umdrehen, die bleiche Wanne ins Licht halten, dem Sound der Fat Freddys lauschen.

Franz_Michael_klein

 

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