Ganz schön schön, der Steig

Von Franz (Fotografie) und Michael (Text) – Was uns fehlt auf der 3. Etappe* des Pfälzer Waldpfades merken wir, als wir Heltersberg hinter uns gelassen haben: Regen wie am Vortag, dafür finden wir mehrere Schutzunterstände, und der Höllenlärm, den die Kampfjets der in Ramstein stationierten Amis regelmäßig über der Pfalz veranstalten. Denn an den Seelenfelsen herrscht wirklich seelenvolle Ruhe.

Dabei handelt es sich um eine Garde beeindruckender Felsen aus rotem Sandstein, die höchsten ragen bis zu 20 Meter auf, ein Pfad mäandert unter ihnen vorbei. Bohrhaken in der Formation künden: Die Felsenwände sind nicht nur landschaftlich reizvoll. Die Kletterer unter den Schlenderern (Franz und Martin) nicken respektvoll, das sind schon amtliche Schwierigkeiten. Franz ächzt vor Glück: „Mann, ganz schön schön, der Steig!”

Hier kannst Du unbesorgt vor Blicken nackt wandern

Unentschlossen sind die Pfälzer, was den Namensgeber der Felsen angeht. a) war es Förster Seel, der 1839 dort tödlich verunglückte, b) ein zweites Opfer 1875, ein Vater, der sich mit seinem Sohn im Wald verirrt hatte. Die leuchtende Seele der Leiche soll den Sohn zum Vater zurückgeführt haben. Wir vermuten mal steil, der Mann hatte einfach zuviele Knollenblätterpilze gegessen, die dem Leichnam eine grüne Lumineszenz verlieh…

Neben den Giftzwergen finden wir am Pfad Schönfußröhrlinge, Maronen, Täublinge, und nichts deutet darauf hin, dass hier öfter Wanderer entlangkommen. Es ist sogar so wenig los, dass du praktisch nackt wandern könntest ohne Erregung öffentlichen Ärgernisses. Wir bestaunen noch die Heidelsburg, eine frühere römische Verteidigungsanlage, die noch aus ein paar Dutzend Felsquadern besteht.

Nicht lachen, im Ort gibt es einen „Hairdom”

Ein Abstecher führt uns nach Waldfischbach-Burgalben, einem Ort, dem unsere Wanderkarte verlockende „Kleinodien” zugesteht. Wir suchen und suchen und suchen und vermuten, es ist der „Hairdom” – nicht lachen, die entwidmete Kirche trägt wirklich diesen abgefahrenen Namen. Der Friseur darin versteht sich offenbar auf das Drehen von Engelslocken, haar, haar! Kalauermodus: Aus. In der Ortsmitte lernen wir den ersten Pfälzer kennen, der einen ordentlichen Kaffee kochen kann. Der Barista im Eiscafé Dolomiti brüht einen exzellenten Macciato, für uns das Kleinod des Tages. Noch einen, bitte!

Beim Rückzug aus Waldfischbach-Burgalben und auf dem Weg in den Wallfahrtsort Maria Rosenberg (Jetzt keinen Kalauer, Schmitz!) laufen wir viel Asphalt und spüren: Fernwandern bedeutet auch Schmerz aushalten, nicht aufgeben, wenn Füße und Hüfte einfach nicht mehr weiterwollen. Rhythmus, Schweigen und Ertragen führt zum Hilschberghaus, einer gastlichen und klasse Hütte des Pfälzerwaldvereines oberhalb von Rodalben wunderschön gelegen. Nur die Trinksitten der einheimischen Männer wie Frauen konsternieren den Westfalen. Auf der Karte neben deftigen Speisen auch Getränke wie „Gedopter”, oder Wein mit Cola. Wir testen den Weißen mit der Brause und urteilen: „Riecht wie Cola-Rum”, „schmeckt cool”, „nimmt der Cola die Süße”. Stimmt alles, austrinken will jedoch niemand. Bereits vor Jahrzehnten kursierte in den Kneipen Bad Bergzaberns ein Getränk namens „Eiterpickel”: Apfelkorn, ein Fingerhut Kirschsaft, ein Tropfen Eierlikör. Sah natürlich so aus, wie es hieß.

Ist Sauä-crowd sexuell stimulierend?

Am Morgen darauf erneut Kopfschütteln. Diese Pfälzer, was für ein eigenartiger Stamm. Unterhalten sich schon bei Frühstück angeregt über Grumbeere, Graubben un Sauä-crowd, als handele es sich um sexuell stimulierende Substanzen.

Auf der Strecke nach Hermersbergerhof via Merzalben beschleicht uns der unabweisbare Eindruck, dass die Wegeführung des Waldpfades ein ausgeklügeltes System der Pfälzer ist, Fremdlinge von ihren Ortschaften und Häusern fernzuhalten. Er ist so geschickt angelegt, dass der Wanderer stets von der Illusion eines großen, zusammenhängenden Waldes getragen wird. Was aus unserem Munde ein großes Lob darstellt! Wir haben uns nicht einmal verlaufen, können uns dem Pfad mit dem grünen Blatt-Logo blind anvertrauen. Und der Wald macht etwas mit uns: Nicht mehr der Verstand, sondern der Körper findet den Rhythmus, der ihm guttut.

Ein bestrickender Pullover aus herbstbuntem Laub

Hinter Merzalben führt ein klassischer Hohlweg in die weite Einsamkeit. Wr hecheln zur Burg Gräfenstein hoch, die erste echte, sprich: etwas vollständigere, weil teilrestaurierte Ruine auf unserer Tour. Das „Juwel aus der Stauferzeit” hat einen siebeneckigen Bergfried, seinerzeit ein echtes Alleinstellungsmerkmal unter den Burgbesitzern. Und seit Loriot weiß man ja wie wichtig es ist, etwas „Eigenes” zu haben. Für den Aufstieg empfiehlt sich eine Stirnlampe oder ein Handy mit entsprechender Funktion, denn unten ist es duster. Oben dafür: Wow! fehlen einem die Worte. Erstmals blicken wir über den riesigen, zusammenhängenden Pfälzer Wald, der sich einen bestrickenden Pullover aus herbstbuntem Laub angezogen hat. Ein overlook, den man nicht auslassen sollte…

denn die Euphorie, die wir mitnehmen, mildert den Ärger der nachfolgenden Strecke bis Hermersbergerhof. Eigentlich ein Schmankerl, denn sie führt ausschließlich durch urwüchsige Waldgebiete. Doch unser Ziel rückt immer mehr in die Ferne, denn es sind Umleitungen ohne Ende über breite, spannungslose Forststraßen ausgeschildert.

„Gebiet bitte großräumig umwandern”

Gäbe es einen Wanderer-Verkehrsfunk, müsste folgende Meldung verbreitet werden: „Der Pfälzer Wald zwischen Merzalben und Hermersbergerhof ist wegen Forstarbeiten bis auf weiteres gesperrt. Bitte umwandern sie das Gebiet großräumig. Registrierte Fernwanderer nutzen bitte den kostenlosen Service der Waldbesitzer, der Transfer und Logis in Hermersbergerhof beinhaltet.”

Auf dem Luitpoldturm – der ehemalige bayrische Prinzregent: my man!, weil es mal ein gleichnamiges Weißbier gab – noch einmal großartiger Blick über den dämmrig daliegenden Wald. Im Landgasthof Luitpoldsturm knallt Martin unsere Pilze auf den Tisch, putzt wie der Teufel, und der Koch legt sich für uns ins Zeug. Gekräutere, gemischte Waldpilze mit selbstgemachten Kartoffel-Schupfnudeln mit einer Überraschung am nächsten Morgen: Den Service mochte der freundliche Mann nicht entlohnt wissen. Von hier aus noch einmal herzlichen Dank!
Fortsetzung folgt, stay tuned!

Franz_Michael_klein

 

* Die Etappen, als gpx-Dateien zu finden auf dem Internetportal Wandermenü Pfalz: Heltersberg – Rodalben (17,9 km); Rodalben – Merzalben – Hermersbergerhof.

 

 

 

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