Gone fishing

Wir, Adrian, Sebi, Bruno und ich, waren dann mal weg, an die Hennetalsperre zum Nachtangeln. Da sind Franz und ich schon ein paar Mal rumgelaufen. Angeln heißt für einen Wanderer: Dein Aktionsradius wird brutal von 20 km auf 20 Meter heruntergebremst.
Erstmal schlagen wir unserer Lagerplatz auf und verinnerlichen Regel Nummer 1 des Angelns: Gib später auf die Frage nach der Beute mindestens das Doppelte des wirklichen Fangs an. Das müsst ihr euch merken!
Adrian hat einen Bundesfischereischein und ein paar Tage zuvor die Wiese seines Vaters mit einer Grabegabel nach Würmern umgepflügt. Ein anderes Leckerchen für Raubfische, auf die er aus ist, hat er auch dabei: eine gefrorene Renke. Würmer und Renkenteile werden auf die Haken gepfriemelt und dann geht es auch schon los.

Angelkarte übers Handy gebucht

Zwei Angeln mit je einem Haken darf der 33-Jährige auswerfen, die Tageskarte (8 Euro, 15 für zwei Tage) hat er übers Handy und die App „hejfish“ gebucht. In der Henne gibt es Zander, Hecht, Aale, Karpfen („Schweine des Wassers“, sagt er), Wels, Rotaugen, Brassen, Barsche, Renken, Seeforelle und andere, sie werden vom Ruhrverband als Jungfische eingesetzt. In der Bigge, wo Adrian in der Vorwoche war, sind auch Edelkrebse zahlreich zu beobachten. Da musst Du allerdings die Finger von lassen, so verlockend so ein Mahl auch wäre. „Edelkrebse stehen auf der Roten Liste, eine Entnahme ist illegal“, sagt Adrian.

Der Bissanzeiger fiept

Also werfen Bruno und Adrian die beiden Ruten aus und legen sie in die elektronischen Bissanzeiger. Das ist sehr bequem für den Angler. Beißt ein Fisch an, piept es und der Fisch zieht Leine mit der Leine bis Adrian ihn einholt. So die graue Theorie, wie wir noch sehen werden.
Angeln heißt warten. Das Wasser riecht, wie Seewasser eben so riecht, auch nebenan und am gegenüberliegenden Ufer haben sich Nachtangler niedergelassen. Wir quatschen, trinken Bier, Fassbrause und englischen Most und ab und zu macht der Bissanzeiger Mmiep, Mmiep. Wer anbeißt, ist aber nur der Angler nebenan. Er will reden, über Politik und so. Wir nicht.

„Du merkst, dass Du lebst”

Das Fiepen des Bissanzeigers ist nur Fehlalarm. Dann setzt ein starker, auskühlender Wind ein, begleitet von waagerecht heransausendem Regen. Adrian lebt regelrecht auf, „das ist Angeln, Mike! Du merkst, dass Du am Leben bist“ und hält die Stellung am Ufer in dicker, wasserdichter Schutzkleidung. Wir anderen ziehen uns unter zwei grüne Anglerschirme zurück. Bruno gibt die Hoffnung noch nicht auf: „Um Mitternacht kommen die Aale“, meint er. Was kommt, ist weiter nichts als nur Regen, Regen, auf der Schlagseite durchnässt er unsere Schlafsäcke. Es pieselt die ganze Nacht über mehr oder weniger stark, getrieben von durchwachsenen Böen. Erste Zweifel tauchen auf. Warum sollten Fische nachts essen und können sie in der Dunkelheit überhaupt den Köder sehen?

Unsere Beute? Nix. Also: gar nix

Trotz der Widrigkeiten geben wir alles. Wir belagern den See (in Schlafsäcken), wir umzingeln die Raubfische, wir wechseln alle 30 Minuten in der nassen Dunkelheit die Köder (also der Adrian) und hoffen: Jetzt muss der Zander/Hecht/Aal doch anbeißen! Pustekuchen. Wenn wir jetzt nach unserer Beute gefragt würden müssten wir gemäß Anglerregel Nummer 1 antworten: nix. Also: überhaupt gar nix.

Die Erinnerung kann uns niemand nehmen

Als sich die Nacht von einer schwarzen in eine neblig-weiße, nasse, windige Wand verwandelt, rücken wir gegen 4.45 Uhr ohne Fang ab. Adrian ist als passionierter Angler Zweckpessimist. „Ich gehe bei meinen Touren immer davon aus, dass ich keinen Fisch an den Haken bekomme.“ Als leidenschaftlicher Pilzsammler kann ich das sehr gut verstehen. Wir lieben nicht (nur) die Beute, sondern vor allem die Jagd danach.
Wir ziehen von dannen, mit müden Knochen und kalten Muskeln, benommen von schlaflosen Stunden und mit einigen wichtigen Erkenntnissen. Dass man im Leben seine gesteckten Ziele nicht immer erreicht; dass Enttäuschungen auf uns warten; aber auch, dass uns niemand die Erinnerung an dieses schöne gemeinschaftliche Erlebnis nehmen kann. Und sei es, an eine scheiß ungemütliche Nacht an der Henne.

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