Wo die Wälder Wache hielten

„In dieser Gegend bin ich noch nie gewesen“, sagte Nscho-tschi zu ihrem Bruder Winnetou, als der sie einst mitnahm zum schatzhaltigen Silbersee der Apatschen (Dialog: Karl-May-Festspiele Elspe). In dieser Gegend, wo ich mit Sebastian rumlaufe, war ich zu Fuß auch noch nie und selbst wenn ich es mal gewesen wäre, würde ich sie heute nicht mehr wiedererkennen (danke, Borkenkäfer!)
Wir sind in Heinsberg, zugehörig zu der Gemeinde Kirchhundem, die ortseingangs stolz verkündet: „Wo die Wälder Wache halten“. Hielten, tja, leider Vergangenheit. Fantastillionen von Buchdruckern und Kupferstechern haben in der Region geaast und die Kämme des Sauerlandes abgefräst. Entsprechend trostlos sind nun auch die Ausblicke auf die ehemals üppig begrünten Hügel. Aber wir sind ja nicht zum Gucken hier. Sondern: Geheimtraining von einzelnen Mitglieder einer obskuren Vereinigung namens „GSE2108“. Die Zahlen deuten auf den Beginn einer Aktion verwegener Flachländer hin, die im Sommer zu Fuß über die Alpen wollen. Wir werden an dieser Stelle berichten.

Körperlose Wanderführerin

Wir sind übrigens zu dritt, weil eine Stimme aus Sebastians Smartphone uns körperlos durch die winkeligen Ecken Heinsbergs navigiert. Franz, das Auge und der Wege- und Tourenwart der Schlenderer, musste leider passen, was ich sehr bedauere wegen der Optik unserer Wanderung und weil ich nun selbst mehr schlecht als recht fotografieren muss. Gute Besserung von uns beiden von hier aus!

Waldveilchen bunte Tupfer

Nach einigen Kehren durch Heinsberg steigen wir einen alten, vom Regen ausgewaschenen Fuhrweg hoch. Die Höhen sind weitgehend entwaldet, vereinzelte Waldveilchen, Ochsenblumen und Kirschblüten sind die einzigen Farbtupfer in der ausgetrockneten, sand- und ockerfarbenen Wüste, die von Baumstuken übersät ist. Auch auf frisch geworfenes Sturmholz treffen wir und auf einen Harvester, der gerade aufräumt. Dafür können wir weit gucken. „Heinsberg“, meint Sebi, „hättest Du ohne den Borkenkäfer von hier aus nie sehen können.“

Klippen oder Steinhügel?

Es gibt auch noch schöne Pfade und die Albaumer Klippen, die vor 480 Millionen Jahren entstanden sein sollen. Eine historische Sehenswürdigkeit, sagen die Touristiker, eine 750 Meter lange Felsformation, die bedeutendsten und größten Silikatfelsen des Bergischen Landes und des Sauerlandes. Durch Frostsprengungen im Eiszeitalter entstanden die Klippen. Jo, sehen eher aus wie Steinhügel und Schutthalden in einem Krüppelwald.

Duster is es am Schwarzen Kreuz

Oberhalb von Rinsecke machen wir Pause, rechts liegt das Windrad, das über dem Panorama-Park steht. Später hört man die Geschäftigkeit des Freizeitparks, Musik- und Stimmfetzen wehen herüber, unterlegt vom Rauschen der Windmühle. Am Schwarzen Kreuz, einer bedeutenden Wegmarke, wenden wir uns rechts Richtung Heinsberg. Eine Gedichttafel neben dem Kreuz erzählt sagenhaftes Geschichtliches (ein Schäfer wurde hier erschlagen) und der dunkle Himmel unterscheidet sich von den Lichtverhältnissen her nicht wesentlich vom Ort. „Heißt ja auch nicht umsonst: schwarzes Kreuz“, juxt Sebastian.
Später verliert die Stimme aus seinem Handy die Ortung: „Sie haben die Tour verlassen.“ Aber ohne Wald können wir ja von hier oben bis zum nächsten Dorf gucken und in den Alpen haben wir im August gottseidank eine ortskundige Führerin.

 

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