Steinhäuser, dicht bei dicht

Von Gerald (Text + Fotografie) – In Rimella sehen wir endlich die typischen Almsiedlungen der Walser. Dicht bei dicht stehende Steinhäuser, wie von mächtiger Schöpferhand scheinbar willkürlich über schier unmöglich steile Berghänge ausgestreut. 13 Ortsteile hat Rimella, manche bestehen nur aus fünf mächtigen Steingebäuden und einer Kapelle, die meisten heute leider verlassen.

Als Handwerker und Bauern, Jäger und Viehzüchter haben die Walser einst ihr Auskommen in einzigartigen Steillagen gehabt. Als wir an San Gottardo (1400 m) mit seinem großen Kirchturm auf der breiten GTA hinunterwandern, müssen wir an die Menschen denken, die einst jeden Toten von der Rimella-Dependance Campello Monti hier herüber tragen mussten. Viel Gelegenheit, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Längst sind die Walser-Siedlungen selbst durch Abwanderung dem Tod geweiht. Immer weniger Menschen sind bereit, sich im Winter einschneien zu lassen und verlassen die Bergdörfer.

Aubergine, mit Knoblauch gebraten

Ein lebendiger Ort ist dafür der Hauptweiler von Rimella, Chiesa (1100 m), wo der Wanderer auf jeden Fall im legendären „La Fontana“ absteigen muss. Das eindrucksvolle und unvergessliche Erlebnis im Fontana beginnt um 20 Uhr im stilvollen Speisesaal: ein zehngängiger Gaumenkitzel, der auf keiner Menükarte steht. Und einer leckerer als der vorige: Trockenfleisch mit Salat und Parmesanflocken, frittierte Apfelringe mit Speck, Gemüse, im Ei gebacken, Aubergine, mit Knoblauch gebraten, Tomate mit Mozzarella, Vitello tonato, Polenta, mit Käse überbacken, Pasta, Rindfleisch mit Kartoffeln und Gemüse, Dolce und/oder Früchte. Kaffee oder Grappa. Dazu nette Tischnachbarn, Norbert und Chrischtine aus Gries am Brenner.

In sengender Hitze nach Santa Maria

Derart an Leib und Seele gestärkt beginnt der dritte GTA-Tag. Durch zwei weitere, aberwitzig steil am Gegenhang liegende Rimella-Ortsteile geht es hinauf zu einem Col, wo man schon von unten eine weitere Siedlung, Alpe la Res, 1400 m, leider verlassen, ausgemacht hat. Sie bietet eine herrliche Aussicht auf den Weiterweg im Valle Baranca, dessen Talgrund wir um Punkt 12 Uhr erreichen. Trotz Eis-Pause in La Piana werden die beiden Asphalt-Kilometer nach Santa Maria in sengender Mittagshitze zur Tortur.

Luft und Erfrischung gibt es erst wieder auf der Alpe Baranca, unser Tagesziel auf 1600 m. Dieses Rifugio ist erst im letzten Jahr abgebrannt und es gibt im Tal böse Gerüchte über Neider, die dem netten Wirtepaar die Gäste nicht gönnen. Wenn es so ist, haben sie genau das Gegenteil erreicht. Die Welle der Sympathie ist derart groß, dass viele Wanderer und Veranstalter Geld spenden, so dass die Unterkunft heute wieder 16 Plätze bietet. Und wenn die Wirtin draußen die lange Tafel deckt und Wein einschenkt, dann fühlt man sich fast schon zu Hause. Die Tischnachbarn kennt man ohnehin schon von unterwegs. Sie sind erstaunlicherweise durchweg angenehme Weggenossen. Warum nur ist kein einziger italienischer Landsmann unter ihnen?

Abstieg ins Inferno

Zu später Stunde heißt es dann bei einer weiteren Karaffe Rotwein Abschied nehmen von den übrigen GTA-Weitwanderern. Wir wollten ursprünglich über den Passo della Miniera und die alten Goldminen zurück ins Anzasca-Tal. Aber die CAI-Hütte Massero del Parco (2000m) oberhalb Carcoforo hat noch jetzt, Ende Juli geschlossen und nimmt uns ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg nach Macugnaga auf der Südseite des Monte Rosa. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als am vierten Tag vom Col Baranca (1800m) mit seiner hübschen Alpe Selle direkt in Anzasca-Tal abzusteigen, wo das Auto steht.

Bedrohlich braune Sturzfluten

Es wird ein Abstieg ins Inferno. Schon vormittags zieht ein Gewitter nach dem nächsten über uns hinweg, durchnässt uns bis in alle Poren und spottet allen Goretex-Versprechungen Hohn. Zum Schluss spülen uns Wildbäche in den Talort Bannio, von wo ich einfach noch drei Kilometer weiterjogge, um das Auto zu holen.

Als wir den inzwischen bedrohlichen braunen Sturzfluten des Anzasca-Tales nach vier Stunden Dauergewitter entfliehen und uns wenig später die Sonne des Südens am Lago Maggiore empfängt, erinnern nur noch die Pfützen unter uns an düstere Momente in den Bergen. Aber: Der GTA wird im nächsten Jahr fortgesetzt!

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