Pfad der Sinne

Von Martin (Text) und Franz (Fotografie) – Gerade oberhalb von Küntrop bei Neuenrade angelangt und in die Wandertreter geschlüpft, dröhnt uns schon der erste starke Sinnesreiz in die Nase: das muss Schweinemist sein, behauptet der Experte fürs Ausmisten. Doch schon wenig weiter wird dieser Duft verdrängt vom Geruch des Waldes und der Welmecke, die neben uns murmelt. Das Nasenthermometer gibt uns angenehme 7° C an, für Dezember im Sauerland ein laues Lüftchen.

Semmelstoppel und Judasohr

Bei diesen Temperaturen nicht ganz so verwunderlich, dass uns schon bald eine große Ansammlung von Semmelstoppelpilzen ins Auge fällt. Der Speichel fließt schon in froher Erwartung, aber leider sind wir für die Ernte zu spät dran. Getoppt im Sinne des Wortes wird dieser Fund von den Judasohren im Holunderbaum. Diesen Pilzen wird in der chinesischen Medizin ein hoher Wert zugeschrieben, von Bluthochdruck bis Herzinfarkt sollen sie heilsam sein. Da die Pilze aber in ungesunder Höhe auf einem glitschigen Stamm wachsen, verzichte ich auch hier auf die Ernte.

Walpurgisnacht

Bald erreichen wir eine Wegekreuzung, die ein Schild als Hexentanzplatz ausweist. Die erlittene humanistische Bildung bricht sich Bahn und zitiert Faust:

„Einst hatt ich einen schönen Traum,

Da sah ich einen Apfelbaum,

Zwei schöne Äpfel glänzten dran,

Sie reizten mich, ich stieg hinan.“

Der Dialog zwischen Mephisto und der älteren Hexe wird hier aus Jugendschutzgründen nicht wiedergegeben.

Wieder zurück in der Realität erkennen wir neben dem Tanzplatz parallel angeordnete Rinnen, nein, keine teuflischen Artefakte, sondern Erosionsrinnen des Königswegs von Köln nach Arnsberg, der just hier entlang lief. Ach ja, auch als Richtplatz wurde diese Kreuzung bis ins 18. Jahrhundert genutzt.

Allein im Wald­

Nun aber weiter, an den Quellen der Welmecke vorbei; von den seltenen Quellschnecken, die hier vorkommen sollen begegnet uns keine. Dafür finden wir historisch bedeutsame Galläpfel – mit der daraus gewonnenen Eisengallustinte wurde beispielsweise die amerikanische Unabhängigkeitserklärung geschrieben. Die gewonnene Höhe schenkt uns Ausblicke ins Lennetal, samt kreisendem Bussard, dessen Schrei sich nach Einsamkeit anhört. Und tatsächlich begegnet uns heute den ganzen Tag nur eine einsame Reiterin. Bänke begegnen uns auch kaum, so dass wir erwägen eine der zahlreichen „Jagdwartschaftlichen Einrichtungen“ für die Fresspause zu nutzen, aber Vorhängeschlösser und unfreundliche Schilder verhindern dies. Also doch einen Baumstamm als Picknickplatz.

Pfadfinder unter sich

Gestärkt von Brot und Kuchenresten widmen wir uns dem Rest des Weges, der sich als länger als geplant herausstellt. Weil das Handy die GPS-Funktion verweigert hatte, laufen wir nach Karten und da haben wir uns ein wenig verschätzt. Aber da selbst die Holzstapel am Wegesrande uns ein phosporgrünes Okay geben, landen wir bald auf dem Höhenflug, der uns nach langer Forststraßentreterei ein bisschen Pfad bietet.

Noch einen mythisch angehauchten Ort passieren wir; das Schwarze Kreuz steht auf der Wasserscheide zwischen Lenne und Ruhr. Weshalb es aber dort steht, darüber gehen die Quellen auseinander. Selbstmord aus Liebeskummer? Toter Förster dank Wilddiebeinwirkung? – man weiß es nicht.

Zwitscherei

Einen Vogelschwarm in der Baumreihe neben dem Weg identifiziert unser Pixelmeister als Goldammern. Als wir uns dann wieder dem Ausgangsort Küntrop nähern, fällt uns an der Finkenstraße ein weiterer geschwätziger Schwarm auf, keine Finken – Stare! Der Anblick eines schönen Hofs aus dem Jahre 1675 und der angenehme Duft von Holzfeuer bilden die letzten Eindrücke unserer Tour.

Martin_80x80  Franz_Autor

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