Die Heimat dampft

Von Franz (Fotografie) und Michael (Text) – Kann es etwas Besseres geben als aus der Haustür ins Grüne auf einen Wanderweg fallen? Mmmh, wenn es auch das richtige Zuhause wäre… Von der Ferienwohnung in Elspe ist es in diesem Fall nicht weit bis zur Vituskapelle, die über dem Ort thront, und über das Kirchlöh wollen wir gen Fretter.

Aber erst einmal noch ein Wort zur Vituskapelle. Ein schmuckes Kleinod, im Jahr 1731 erbaut und 1973 das Ziel schnöder Statuenräuber. Ihnen fielen die Figuren von fünf Heiligen in die Hände, dazu zwei Putten. Alte Elsper können sich auch noch an die alte, vom Alter oder einem Blitz gespaltene Linde erinnern, der ein Betonpfropf im Inneren Stand gab bis zu einem Sturm, der ihr Leben beendete. Bei soviel Unbill wollen wir es also loben, dass das schmale Kirchlein in den Wintertagen beleuchtet wird und in der Adventszeit ein tröstlicher Anblick ist. Zu verdanken ist die Beleuchtung einem Elsper Textilkaufmann, der mit nobler Geste die Stromrechnung begleicht.

Das ganze Jahr artig schlendern

Jetzt aber zur Wanderung zwei Tage vor Hl. Abend, im Sprachgebrauch der privaten, auf Rekorde geeichten TV-Sender wäre sie unser „nearest hike to X-mas, ever”, oder so. Martin schaut bei der Kapelle mit Erstaunen auf einen nahen, spektakulären Bau. Es ist die Überdachung der Karl-May-Festspiele Elspe, eine Zeltdachkonstruktion nach dem Vorbild des Münchener Olympia-Stadions. Viel Beton wurde Anfang der 70er in den karstigen Grund gekippt, um vier Pylonen, die das Zeltdach tragen, sicheren Stand zu geben. Martin weiß auch nicht, was eine Dinner-Show ist, die in den Dezembertagen in der großen Event-Halle gegeben werden. Wird von den Sauerländer Firmen gern als Weihnachtsfeier oder Incentive für ihre Mitarbeiter genutzt. Incentive? Martin, ich erklär’s dir auf schlenderisch. Stell dir vor, du frisst das ganze Jahr über bei jedem Wetter mit uns artig Kilometer, ja dann würden Franz und ich mit dir zur Belohnung eine Dinner-Show besuchen und die erfolgreiche Schlendersaison feiern. Nach einer letzten Geste mit Blick auf Elspe ist aber erst mal Schluss mit Dorfbilderklären.

Solarbeleuchtung für dunkle Unterstände

Ab dem Kirchlöh, einer Wegekreuzung mit Wanderparkplatz, wird es immer feuchter, je höher wir kommen. Die Spitzen der Baumwipfel liegen im Dunst, die Heimat dampft und mit ihr die Gefühle. Ein Birkenhain schimmert rötlich, ein Effekt der kahlen, jungen Zweige, durchbrochen von Grün, denn wir sind in Tannenbaumland. Kartenwart Franz gönnt Martin und mir ein paar unnötige Steigungen. Es ist ein ständiges Auf und Ab, obwohl auf den Kämmen bequeme Wege liegen. Auf meinen Wunschzettel – für Franz – kommt das noch ungeschriebene Buch „Von den Vorzügen der Kenntnis des Höhenlinienlesens in Karten von unbekanntem Gelände”. Gleich danach füge ich an: „Solarbeleuchtung für dunkle SGV-Wetterunterstände”.

Die „Ostzone” ist bereits Legende

Kurz vor der „Westzone” biegen wir links ab Richtung Fretter. Die Westzone aka Elsmecke heißt so, weil es kurz dahinter, über Obervalbert, eine Ostzone gibt. Die Namen stammen aus der Zeit, als es in Oedingen ein Flugabwehrraketen-Bataillon gab, und selbstverständlich versteckten sich hinter den strategischen Bezeichnungen zwei Kneipen, in denen die Soldaten verkehrten. Mann, ist das schon so lange her? Denn die Kneipen sind bereits Legende.

Der Himmel beschere Jägern lange Scharfsicht!

Zum Frettertal hinüber reißt der Wind die Nebelkappen über den Gipfeln auf und beschert Weitsichten. Skelette von Herbstlorcheln, überjährige Semmelstoppelpilze, Keulenpilze und Pfifferlinge sowie der ein oder andere frische (!) Blätterpilz unbekannter Provenienz erinnern daran, dass wir im wärmsten Herbst seit der Erfindung und Dokumentation von Wetterdaten wandern. Nach einem Bogen hinter Melbecke her kehren wir in den kleinen Fachwerk- und Bauernort zurück. Jäger trudeln auf dem Erves-Hof (Melbecke 3, 02721-3782) ein, ein umgebauter Hühnerstall mit Bullerofen lockt zum Schüsseltreiben in molliger Wärme. In den lehmverschmierten Allradwagen liegen Füchse, ein Dachs, Rehe und Wildschweine. Sie werden auf dem Hof aufgebrochen und auf Tannengrün gebettet, dann wird die Strecke (und noch mehr Pils) verblasen.

Unauffällig checken wir die Sehkraft der Jägersleute. Gebe der Himmel ihnen die Gabe und die Scharfsicht, im Tann‘ noch lange dunkel gekleidete Schlenderer von Schwarzkitteln zu unterscheiden!

Franz_Michael_klein

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1 Kommentare zu “Die Heimat dampft

  1. Zuhause ist da, wo deine Freunde sind . . .
    Beim Schlendern auf altbekannten Pfaden kommen bestimmt auch einige schöne Erinnerungen hoch.

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