Wald / Wiese / Weit- und Einsichten

Von Michael (Text) und Franz (Fotografie) – Wald und Wiese stehen zusammengenommen für Durchschnittlichkeit, Allerweltssachen eben. Wenn man sie jedoch geschickt arrangiert wie im Fall der Höhenflug-Rundtour durchs Sorpetal, dann kommt eine tiefenentspannende Wanderung dabei heraus.

Dies vorweg: Bei der vorliegenden Sorpe handelt es sich um den Fluß, der in die Lenne mündet, nicht um jene Sorpe (Röhr), die den gleichnamigen See bei Langscheid speist. Manchmal hat’s der Sauerländer gerne doppelt, es gibt ja auch zwei Orte namens Olpe (sowie doppelten Wacholder). Wir beginnen unsere Runde in Obersorpe. Und begegnen gleich einigen (älteren) Pfifferlingen. Martin und ich schauen uns an: Sollen wir? Zögern. Weiter. Wenig später hüllt uns ein emsiger Bauer auf einer Wiese in ein Ganzkörperdeo namens Eau de Guel, frisch aus dem Jauchefass.

Austausch über den Kamm hinweg

Gottseidank riecht Bärbel Michels, auf die wir am Alten Forsthaus Rehsiepen treffen, nichts mehr von diesem Bio-Kampfgas. Sie erläutert uns freundlich die Geschichte des denkmalgeschützten Hauses und auch die rote Tafel davor. Sie stammt aus einem Projekt des Konzeptkünstlers Jochen Gerz, der vor einigen Jahren im Rahmen des Wald-Skulpturenweges auf dem Rothaarkamm dessen trennende Funktion (Konfession, Sprache, Menschen) überwinden wollte. Die Idee dahinter: Menschen aus Wittgenstein und dem Sauerland schreiben Gedanken über sich und ihre Heimat auf und senden sie per Brief über den Kamm. Dort werden sie vor dem Haus des jeweiligen Empfängers „gepostet”. Bei Bärbel Michels hat das auf wunderbare Weise funktioniert. Die Sätze auf der Tafel vor dem alten Forsthaus stammen von Heinrich Leihe aus Richstein, man schrieb sich, man traf sich, tauschte sich aus, hielt Kontakt über den Gebirgszug hinaus, bis der alte Mann verstarb.

Das Forsthaus wurde sorgsam restauriert

Das alte Forsthaus selbst ist eine Wucht, gut erhalten, sorgsam restauriert. Bärbel Michels führt uns in die kleine Tenne, auf dem Boden liegen Steinriemchen in Fischgrätmuster, Brennholz liegt hoch gestapelt an der Wand, der Raum atmet gelebte und gearbeitete Geschichte, ebenso wie der Back-, Wasch- und Rollkeller mit wuchtigen Bodenplatten, die aus dem säkularisierten Kloster Grafschaft stammen sollen. Im Rollkeller steht eine alte „Designer”-Mangel der englischen Firma Smith & Paget, „bei der Tücher durch Kaltwalzen geplättet wurden”, erläutert Bärbel Michels. Der Backes wird gestocht, wenn das Forsthaus am Tag des Offenen Denkmals Besucher aufnimmt (oder nach Absprache), dann holt Michels alte Sammeltassen aus dem Schrank für den allfälligen Kaffeeklatsch. Unser intensiver Austausch zeigt: Gerz‘ Konzept funktioniert (an diesem Ort) und wirkt nach, aber es hängt von offenen und unvoreingenommenen Menschen wie Bärbel Michels ab.

Seidige Luft, weiches Licht

Solche Begegnungen öffnen den Kopf und oben auf dem Hunaukamm lassen wir, bei einem Picknick unter einem Hochsitz, unsere Gedanken fliegen. Das Licht im Wald ist weich, es herrscht mildes Spätsommerwetter, die Luft ist seidig und man braucht einen kleinen Stubs, um drauf zu kommen: Auch die Abwesenheit von Alltag und seinem Geräuschmüll machen die Tour zu dem, was sie ist. Es sind solche Wanderungen, bei denen der Begriff „durch die Gegend streifen” seine eigentliche Bedeutung erreicht.

Sollen wir uns versteigen zu der Behauptung, der Weg über die Hunau sei schöner als der Rothaarsteig? Wuff, würde Isolde von der Hunau meinen, wenn sie könnte. Sie ist nämlich kein Mensch, sondern eine Hannoveraner Schweißhündin und schon lange tot (1936). Die Erinnerung an sie wird durch ein Grab am Wegesrand wachgehalten. Wir passieren vier Wanderburschen, die auf zwei Bänken rasten und aus vier mitgeführten Pinneken munter schnapsen.

Wandern mit rotlila Pfoten

Sodann ein ungewohntes Bild: Drei hochgewachsene Kerle (wir) fallen in die Blaubeerbüsche ein und zupfen und kosten und sammeln. Mit rotlila Pfoten – durch Anthocyane, Pflanzenfarbstoffe, die suuper Radikalen-Fänger sind -, ziehen wir weiter. Unter dem mächtigen Fernmeldeturm nur ein Gedanke: Ein Café mit 360-Grad-Blick in diesem hohen Trumm wäre die Spitze. Zwischendurch links und rechts große Sicht auf nördliches Sauerland und Rothaarkamm (gibt es für letzteren eigentlich eine Übersetzung für englische Hiker? Red Hair Ridge oder so, oder vielleicht Red Ridge Mountains).

Hatten wir die Neger-Quelle schon erwähnt? Sie entspringt oben an der Hunau und mündet nach 17,7 Kilometern in die Ruhr. Damit ist sie 900 Meter länger und das ganze Wasser, dass dann gen Ruhrgebiet fließt, müsste somit einen ganz anderen Namen tragen. Welche Weiterungen das für das Ruhrgebiet zeitigen würde, da müsst ihr schon selbst drauf kommen.

Franz_Michael_klein

 

Die Streckenführung kann man bei Sauerland.com herunterladen:

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1 Kommentare zu “Wald / Wiese / Weit- und Einsichten

  1. Lieber Herr Schmitz,

    Ihr lesenswerter Bericht (da lässt sich der Schreibprofi nicht verleugnen) mit den informativen Fotos hat uns sehr gut gefallen! Wir bedanken uns herzlich.

    Ihnen beste Grüße und weiterhin viele erlebnisreiche Wanderungen,

    Bärbel und Peter Michels

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