Schlendern ist der neue Trend

Von Michael (Text) und Franz (Fotos) – Schlendern ist der neue Wandertrend, weshalb wir aus gegebenem Anlass mal wieder nachrichtendienlich schreiben. „Das Thema hat aktuell ungeheuren Drive”, sagt der Marburger Natursoziologe Dr. Rainer Brämer, der mit dem Deutschen Wanderinstitut zahlreiche Premiumwege in Deutschland entworfen hat. Hinter der Bugwelle der Weitwanderwege sollen Strecken zwischen drei und sieben Kilometern das Spazieren zu einer neuen Massenbewegung machen.
Wandern, da war doch was? Genau, und es war kürzlich auf der Messe Tour Natur in Düsseldorf sehr gut zu beobachten, eine regelrechte Inflation. Fast keine deutsche Region, die nicht stolz auf ihren „Steig” verwies: Rheinsteig, Westerwaldsteig, Eifelsteig, Ahrsteig, Soonwaldsteig, Renchtalsteig, Saar-Hunsrück-Steig, Harzer Hexensteig, viele andere mehr und nicht zuletzt der Rothaarsteig, die erfolgreiche Blaupause aller inszenierten Weitwanderwege.

„Mehr als 90 Prozent der Deutschen spazieren”

„Es gibt ein totales Überangebot an Mehrtagewanderungen, ihm steht immer weniger Nachfrage gegenüber. An kurzen Strecken hapert es aber gewaltig, und wenn es welche gibt, haben sie keinen Charakter”, sagt Rainer Brämer, Mitbegründer des Deutschen Wanderinstitutes und Mitgesellschafter der Firma Projektpartner Wandern (Motto: Wir gestalten Wanderwelten).
In Deutschland werden dreimal so viele Spazier- wie Wanderkilometer zurückgelegt, haben Brämer und seine Kollegen Matthias Gruber und Jochen Becker ermittelt. „Mehr als 90 Prozent der Deutschen gehen spazieren, sie machen 60 Spaziergänge pro Jahr, rund zehnmal so viele wie Wanderungen. Hier liegt ein enormes Potenzial für den Tourismus, das es auszuloten gilt”, sagt Rainer Brämer.

Weniger körperliche Herausforderung, keine steilen Anstiege

Allerdings auch eine neue, härtere Herausforderung für die Touristiker der deutschen Wanderregionen. Die Schlenderer stellen Ansprüche an ihre Strecke, die denen der Premiumwanderwege nicht nachstehen. Brämer: „Genussreich mit weniger körperlicher Herausforderung, keine Durststrecken auf steilen Anstiegen, originelle Themeninszenierungen, ländliche Gastronomie, sehr erlebnisdicht” – und das alles natürlich auf nur ein paar Kilometern. Anklang an Lehrpfade oder Heimattümelei sollte jedoch vermieden werden. „Auch Spazierwanderer erwarten von kleineren Fußausflügen ein volles Erlebnisangebot. Von daher liegt die Einführung von ,Premium-Spazierwanderwegen‘ geradezu in der Luft.”

„Alle wollten nur die Renaissance des Neuen Wanderns”

Die Projektpartner Wandern arbeiten mit einem Spezialistenteam aktuell an Pilotprojekten im Tecklenburger Land, in der Region Saar-Hunsrück und in der Umgebung von Marburg. „Den ersten Premium-Spazierwanderweg werden wir Anfang bis Mitte 2015 zertifizieren”, erklärt Jochen Becker. Auch der Deutsche Wanderverband unterbietet bei seiner Zertifizierung für das Siegel „Wanderbares Deutschland” seine Mindestlänge von 20 Kilometern und zeichnet themenorientierte Kurzstrecken nun ab vier Kilometern aus. „Damit reagieren wir auf sich wandelnde Bedürfnisse bei Wanderern”, erklärt DWV-Geschäftsführerin Ute Dicks.

Sauerland kommt sehr sportiv daher

Die Bedürfnisse der nichtwanderndern Wanderer, ergo Spaziergänger, hat Thomas Weber, Direktor des Sauerland-Tourismus, schon länger im Blick. Um attraktive Angebote in der Region zu schaffen, muss man jedoch dicke Bretter bohren. Im Sonnenschein der Top-Trails, mit denen das Sauerland ja verbunden wird, traf Weber vor Ort auf Irritationen, wenn er davon sprach, „Komfort- und Spazierwanderwege” in dem „bisweilen sehr sportiv daher kommenden Sauerland” anzulegen, etwa an den Seen. „Alle wollten nur die ansonsten ja auch richtige Renaissance des Neuen Wanderns per naturnaher und anspruchsvoller echter Wanderwege bis hin zu den Steigen”, resümiert er.

Der kleine Premiumweg für zwischendurch

Aber mittlerweile sei der Boden bereitet. Dies, so glaubt der Touristikexperte, werde einen ganz anderen Schub auslösen: „Und zwar bei dem Publikum, das sich Wandern bisher gar nicht vorstellen mag und damit in erster Linie Anstrengungen verbindet.”
Auch für Wanderweltengestalter Jochen Becker sind die Spazierwanderwege für das Sauerland eine spannende Sache: „Es sind sozusagen die kleinen Premiumwege für zwischendurch.”

Franz_Michael_klein

 

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