Zu früh zum Höhepunkt…

… zu kommen dürfte uns erfahrenen Hasen eigentlich nicht passieren. Wir wissen, wo man das Tempo anziehen muss oder wie man verzögert, um die Lust zu verlängern.

Jedenfalls standen wir kurz nach dem Start unserer Ardey-Tour in Witten schon auf dem Berger-Denkmal 130 Meter über den Ruhrauen und ließen uns von der Aussicht den Atem rauben. Schon ein amtlicher Blick, und vom viel beschworenen hässlichen Pott ist hier nix zu sehen (lässt man den Weg hinterm Wittener Hbf außer acht). Definitiv ein Platz, an dem man die Ruhr mit dem Main verwechseln kann, behaupten wir einfach mal. Es fehlt: nur der passende Reb-Bewuchs an den Hängen.

Mit geneigtem Haupt steigen wir den Turm hinunter, weniger der Demut verpflichtet als der engen Wendeltreppe, an denen sich große Wanderer den Kopf stoßen können. Ein kurzer Blick auf die wilhelminische Protzarchitektur des Berger-Denkmals, ein paar längere Blicke auf das Ruhrtal und wir verschwinden im Stattwald, der mit geteerten Wegen und den üblichen Gebrauchsspuren der Zivilisation nach dem ersten Höhepunkt deprimierend wirkt. Aber hey – wir sind schließlich im Ruhrgebiet!

Vielfüßige Wanderraupe

Wenig später gleiten wir nahtlos ins Vollgrün des Ardeygebirges hinein: Walking the Ruhr valley.  Nur einmal durchbrach Trippeln einer vielfüßigen Wanderraupe diese wohltuende Stille. „Morgen, guten Morgen, Morgen, Morgen” – rund 40 braungebrannte Rentnerinnen und Rentner in schicker Outdoor-Kleidung schlängelten sich grüßend vorbei. Später taucht Gut Schede auf Herdecker Gebiet vor unseren Augen auf. Rinder fläzen sich gemütlich auf den Wiesen, der Bauernhof ist aus Fachwerk, tipptopp sauber und riecht, wie ein guter Bauernhof riechen sollte: nach warmem Vieh und duftendem Heu und nicht nach Gülle und Silofutter. Zu dem Ensemble gehören weitere Fachwerke, Steinhäuser, Remisen sowie das klassizistische Herrenhaus der Industriellenfamilie Harkort, deren Nachfahren auch heute noch dort leben und wirtschaften. Ein umwerfendes Gesamtbild:  als ob man ein Stillleben betreten würde, als ob das Gut eine ganz eigene, langsamere Zeit für sich reklamierte. Die Schlenderer bestaunen eine sehr, sehr alte steinerne Einfriedung des Gutes aus Ruhrsandstein, der mit Efeu über die Jahrzehnte eine organische Verbindung eingegangen ist, als ein Golf hinter ihnen auf die offene Wiese brettert und ein Forstwachtmeister oder Wachtforstmeister mit dem Charme eines ebenfalls dort wachsenden Ilex schnarrt: „Was machen Sie hier?”

Mauer gucken macht verdächtig

Die passende Antwort wäre gewesen: „Untere Denkmalbehörde der Stadt Herdecke, Sie haben eine historische Einfassung unsachgemäß renoviert, das wird Folgen haben, wie heißt Ihr Vorgesetzter?” Statt dessen flöten wir Tamina-Kallert-mäßig: „Oh, wunderbar, dieses herrliche Ensemble!” Auf landwirtschaftliche Nutzflächen, so erfahren wir, darf man nicht herumlatschen (mit dem Auto drauf rumfahren aber schon). Hätten wir ja auch selbst drauf kommen können. Es gab in der deutschen Geschichte doch schon mal Zeiten, als das sehnsüchtige Betrachten einer Mauer Verdacht hervorrief. Ach ja, Franz, erinnere mich doch mal dran: Muss unbedingt mal eine Gebrauchsanweisung für die deutsche Natur schreiben!

Wir trollen uns und steuern über das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke und den Volme-Höhenweg unseren Ausgangsort an. In Witten dann Schweinchen-Porno gefilmt. Guckst Du hier: und die vollständige Ardey-Runde hier:

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Franz_Autor Michael_Autor

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