Nicht Winterberg

Wenn man aktuell Fotos von Schneelandschaften in den sozialen Medien postet, muss man vorsichtshalber dazuschreiben: nicht Winterberg, um keinen Run auszulösen. Gehen wir doch einfach mal in Elspe raus und gucken, wer sich da so herumtreibt.
Hinter der Vituskapelle auf dem Kopf oberhalb des Ortes auf einer verschneiten Wiese: drei Erwachsene, zwei Kinder, die Schneemänner bauen und -bälle werfen. Sehr verdächtig: Die Erwachsenen tragen im Freien Corona-Schutzmasken. Einheimische sind das nicht, denn kein Elsper käme auf die Idee, draußen in der virusfreien Luft eine Schnüffeltüte aufzusetzen. „Ich habe auf meinem Weg viele Leute gesehen, die nicht von hier sind“, meint ein alter Elsper, der des Weges kommt. Ja, dürfen die das denn?

Normaler Herdentrieb

Dass es die Menschen aus dem Ruhrgebiet, aus dem Rheinland und den Niederlanden nach den Schneefällen in den vergangenen Tagen in die üblichen verdächtigen Wintersportorte im Sauerland zieht, ist menschlich nachvollziehbar. Wir meinen: völlig normaler Herdentrieb nach monatelangem Corona-Management und im familiären Rahmen auch erlaubt. Nutzer sozialer Medien sagen: die WDR-Lokalzeit Siegen ist schuld, weil sie über die Winterlandschaft in Winterberg berichtet, die Lokalzeit wiederum meint: Instagram respektive deren Influencer sind verantwortlich für den Run und vernahm in der vergangenen Woche einen Social-Media-Manager von Sauerland-Tourismus ein, der diese steile These verbreitete. Wir wiederum meinen: klassischer Fall von Selbstüberschätzung der eigenen Wirkmacht.

Antizyklisch Sommerfotos posten

Eine Instagram-Fotografin, deren Aufnahmen ich schätze, hat ihre Tätigkeit rund um Winterberg erst einmal eingestellt und postet trotzig antizyklisch Sommerurlaubsbilder vom Meer. „Ätzend, was sich hier abspielt und ich habe das Gefühl, auch meinen Teil dazu beizutragen, wenn ich weiterhin Bilder von hier poste. Jeder latscht hier rum, auch im Naturschutzgebiet, es liegt an jeder Ecke Müll.“
Rumlatschen im NSG ist übrigens erlaubt und was ich vor Jahren in Willingen an der Ettelsberghütte beobachtete, war um einiges heftiger. Das Gebäude selbst gerammelt voll, draußen mehrere Hundert Skisportlerinnen und Skisportler, die sich Bier in der Hütte gleich fassweise besorgt und den anfallenden Urin ein paar Meter weiter entsorgt hatten. Der ganze Schnee, pardon, pissgelb und verdreckt, und Instagram, das gab es damals noch nicht. Überlaufene, bekannte Wintersportorte, überfüllte Sonderzüge, kilometerlange Staus bei der Anfahrt, Chaos auf den Parkplätzen sind quasi Normalzustand in schneereichen Wintern, ohne dass sich die Nutznießer/Einwohner/Medien groß darüber aufregen. Nun aber herrscht Pandemie und Corona scheint nicht nur die Lunge anzugreifen.

Ein Gewehrschuss in weißer Einöde

Auf dem Wanderparkplatz Kirchlöh 1 gelbes Nummernschild und 1 auswärtiges Kennzeichen, sonst nur die Autos der üblichen Elsper Verdächtigen. Je tiefer man in die weiße Einöde dringt, desto weniger menschliche Spuren findet man. Wo sonst die schönsten Maronen und Steinpilze wachsen, nur Schnee, monoton und monochrom. Trittsiegel von Hasen, Rehen und Mäusen, sodann: ein Jäger. Vier Sauen haben sich ins Dickicht verkrochen, eine davon verletzt. Um nicht in die Schusslinie zu kommen, muss ich ausweichen. Zehn Minuten später hallt ein Gewehrschuss durchs Obermelbecker Tal.

Non-corona-konforme Rudelbildung

An der Lutzie dann: erwischt! Eine non-corona-konforme Rudelbildung von rund 20 Erwachsenen und Kindern tummelt sich rund um den Gedenkstein zu Ehren der hl. Lucia, bestens versorgt mit Thermoskannen und anderen Getränken. Keine Einheimische. Sie riskieren ihre Gesundheit und die anderer Menschen. Wohl eine Ausnahme an diesem Wochenende. Polizei und Ordnungskräfte haben an den verschiedenen Stellen im Sauerland den Andrang der Menschen kanalisiert, erlaubten, was möglich war, sperrten Straßen, wenn Parkplätze voll waren und resümierten meist, wie die Polizei in Meinerzhagen: Verstöße gegen die Corona-Regeln gab es „überhaupt nicht“. Geht doch.

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