Stochern im Nebel

Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Long time no see, in der Tat. Unsere letzte gemeinsame Wanderung liegt Monate zurück, Corona, langwierige Infektionen, Zipperleinchen, das Alter und so. Zur Reunion-Tour gönnen wir uns eine Ecke, in der wir mehrfach und gerne unterwegs waren: das Visbecker Umland.
Die sagenhafte Stimmung, die tanzenden Nebelschleier über saftiggrünen Wiesen von einst, treffen wir dieses Mal nicht an. Nebel schon, Grün auch, aber alles trüb und feucht. Die Sonne ist zerflossen in dem viskosen Grau. Bunt ist nur ein Stecken mit bunten Brettchen und den Aufschriften wie Liebe, Harmonie, Hoffnung und eine Bank in den Farben der Regenbogenfahne daneben, auf die wir kurz hinter Visbeck stoßen. Passt zum „Daiwörsiti-Däi“, den der WDR2 auf der Hinfahrt verkündete. Weil: Wir sind bunt, wir sind viele, wir sind verschieden und Du darfst zu einem Kerl, der einen dicken Hintern hat, nicht Bratarsch sagen, weil Bodyshaming. Volkspädagogik at it’s best.

Die Steffisierung des Funkraumes

Aber irgendwelche Vorzüge hat doch jeder, oder nicht? Deshalb ruft Moderatorin Steffi Neu die Hörer auf: „Was ist schön an euch?“ Man möchte angesichts dieses penetranten „Mitmachradios“ (Danke, Carmen Thomas) den Kopf auf den Fußboden knallen, aber da wäre er immer noch weit über dem intellektuellen Niveau des Senders.
Viel und immer gnadenlos gute Laune – die Steffisierung des Funkraums – ist beim WDR2 quasi Tagesbefehl an die Moderatoren und Moderatorinnen, ebenso wie Konzerttickets, WDR-Kopfhörer, Kaffeetassen, penetrante Eigenwerbung (Wir sind der Westen) oder anderen Killefitt (Die schnelle Minute) zu verhökern. Die Glücksfee heißt nicht mehr Maren Gilzer, sondern Katharina te Uhle, Sabine Heinrich oder Stefan Quoos; WDR2, das Glücksrad zum Hören.

„Immer Ihre Musik“

Eingerahmt werden diese Beiträge, damit kommen wir zum nächsten Problem, mit den immer gleichen Liedern, mehrfach am Tag wiederholt. Es gab mal, glaube ich, einen WDR-Slogan „Immer Ihre Musik“, bis den Verantwortlichen dämmerte, dass man ihn auch als Drohung verstehen kann. Die üppigen Honorare an die Moderatorinnen und Moderatoren, die jeden Tag die Hits des Vortags und des Vorvortages und des Vorvorvortages, die Wiederkehr des Immergleichen, anmoderieren und ertragen müssen, können nur als vorauseilendes Schmerzensgeld wegen seelischer Grausamkeit betrachtet werden. Ava Max, Udo L. und Apache, Pink, Lena, Alle Farben, Miley Cyrus, Rita Ora, Weeknd, und wie singt Harry Styles in der Wiederholungsschleife? As it was, wie es war,  bimm bamm, bimm bamm,  jetzt und in alle Ewigkeit.

Franz, ein Scherenschnitt

Rant aus, wir sind schließlich zum Wandern hier. Je höher wir in Richtung Grevenstein steigen, desto wattiger wird der Himmel. Mikrotröpfchen vernebeln unsere Brillen, unten im grünen Tal windet sich die Straße zur Veltinsbrauerei wie ein dunkler Fluss. Franz hinter mir im Dunst gegen die Sonne – ein schwarzer Scherenschnitt. Auch die Brauerei können wir von der Höhe aus nicht ausmachen, nur Umrisse lassen sie erahnen. Wir sind aber sehr sicher, an der Braustätte zu sein. Köstlicher Treberduft weht um unsere Nasen, durchaus zum frühen Trinken animierend. Wir buttern aber mit Wasser und Saft an der Kirche St. Antonius Einsiedler auf dem Berg im Ort, wo einst die Grafenburg stand. Den Wehrturm der ehemaligen Burg haben die Katholiken als Kirchturm wiederverwertet.

Kniehoch nasse Fiass

Außerhalb von Grevenstein stoßen wir auf die erste Station des Bierbrauer-Wanderweges. Ein einem Bierfass nicht unähnliche Sitzbank lockte zum Verweilen mit Blick auf eine weite, geschwungene Wiese, wenn… da nicht zuvor intensiv gegüllt worden wäre: Scheiße, deine Heimat. Beim Gang hoch und zurück nach Visbeck holen wir uns im taunassen, kniehohen Gras ebenso hohe nasse Füße. Wir werfen noch kurz einen Ausblick auf den letzten Bundesliga-Spieltag am Wochenende. Wird der BVB nach 2012 mal wieder Deutscher Meister? Franz optimistisch, ich skeptisch. Aber zwei Menschen würde ich es aus tiefstem Herzen gönnen, dass Dortmund Meister wird. BVB-Trainer Edin Terzic, natürlich. Und Julian Nagelsmann.

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