Über den Wolken

Zu dieser faszinierenden Aussicht fällt garantiert nicht nur den Älteren unter uns der genau passende Song eines deutschen Liedermachers ein… Klemm wir uns ma, den Gedanken, und genießen die Exklusivität des Augenblickes und das Privileg zu sehen, wie ein neuer Tag sich entfaltet. Wie herrlich einsam kann es in den Bergen sein!  Bergfreund Gerald führt mich in seiner zweiten Heimat, dem Tessin, über eine Teiletappe des Höhenwegs Via alta della Versasca hoch über dem Versasca-Tal, nördlich vom Lago Maggiore.

Der erste Tag beginnt im Tal in Frasco mit dem Aufstieg zur Capanna Efra. Die Selbstversorger-Hütte gehört zu den Hütten, die mit viel Eigeninitiative und Detailtreue aus alten Älpler-Ställen von Mitgliedern der Società Escursionistica Versaschese (SEV) restauriert wurden. Alle diese Hütten stehen an exponierten Stellen mit wunderbaren Aussichten und strahlen wohlige Behaglichkeit aus. Der Anstieg zur Hütte über fast 1200 Höhenmeter durch Eichenwälder und über Himmelsleitern ist schon pures Wandervergnügen und dann taucht die Capanna Efra auf, sie steht auf einem Plateau (2039) im Talende des Val d´Efra.

Ein Tropfen in der Abenddämmerung

Schwarze Ziegen erwarten uns vor der Hütte. Dann lassen wir den Tag am großen Steintisch vor der Hütte mit Grillwürsten und einem Reiseintopf ausklingen. Der bärenstarke Gerald schleppt immer eine Flasche Wein den Berg hinauf, ach was tat der Tropfen in der Abenddämmerung gut. Und dann wandern die Gedanken und ich stelle mir vor, wie schön es wäre, in den Bergen einmal über den Wolken zu laufen.

Und dann am nächsten Morgen das Unbeschreibliche. Ich trete vor die Hütte und unter uns am Steilabhang breitet sich ein prächtiges Wolkenmeer, angestrahlt von der aufgehenden Sonne, aus. Pures Glück strömt in die Seele. Wir gehen früh los, da wir nicht wissen, wie viel Zeit wir für diese Tagesetappe über drei Gipfel mit je 2700m brauchen. Diese Etappe weist mehrere ausgesetzte Passagen auf und es gilt Kletterstellen im I. und II. Grad zu überwinden. Sie ist mit T6- der Wanderskala des SAC für schwieriges Alpinwandern bewertet. Wir wenden uns nordwärts und laufen in einem weiten Bogen am Hang des Talkessels entlang, immer das Wolkenmeer unter uns. Dann geht es steil bergauf bis auf den Pizzo Cramosino (2717m). Ein gigantischer Weitblick nach Nordosten ins Ticino-Tal bis zum Rheinwaldhorn und nach Südwesten bis zu den 4000er des Monterosa-Massivs erfreut das Herz.

Durch ein steiles Couloir 150 Meter abwärts

Wunderschöne Wanderpause bei angenehmen Temperaturen. Über den Westgrat des Pizzo Cramosino geht es weiter, wo wir auf eine Einkerbung mit Kletterpassagen im II. Grad treffen. Halteklammern erleichtern das Klettern im Ab- und im Aufstieg durch die Kerbe. Die Ausgesetztheit dieser Passage lässt mich kurz zweifeln, ob das Bergwandern wohl das richtige Hobby für mich ist. Aber dann erreichen wir schon den Madom Gröss (2741m), von dem wir durch ein sehr steiles Couloir 150m absteigen müssen (Schlüsselstelle der Etappe). Dann geht es aber entspannt am Grat entlang bis zum Pizzo di Mezzodi (2708). Hier rasten wir noch einmal am großen Gipfelkreuz und genießen den Blick auf die tief unter uns liegende Gotthard-Autobahn und ins Val Vergornèss.

Viele Erzählungen in der Hütte

Im Abstieg zur Capanna Cognora (1938m) müssen wir zunächst loses Geröll, dann große Felsbrocken überwinden. Dieser Abstieg verlangt einiges von meinen Muskeln. Der bergerfahrene Gerald hüpft förmlich über die Steine und ist schon geduscht, als ich endlich an der wunderschön gelegenen Hütte ankomme. Gerald bereitet als erstes ein kräftigendes Süppchen und dann lassen wir die Seele vor der Hütte  baumeln. Von einer Aussichtskanzel geht der Blick ins Versasca-Tal bis nach Sonogno. Den Abend beschließen wir mit einem gemeinsamen Essen mit sechs anderen Wanderern und vielen Erzählungen in der Hütte.

Der steile Abstieg  in endlosen Schleifen ins Tal beschließt jetzt mit Regen unser Wanderwochenende im wunderschönen Tessin. Drei Feuersalamander, die die Feuchtigkeit auf den Weg gelockt hat, verschwinden im Gras.

ACHTUNG, diese Tour ist nur für Leute mit Bergerfahrung und entsprechender Ausrüstung (Selbstsicherung, etc.) gedacht! [map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://www.dieschlenderer.de/wp-content/uploads/Tessin.gpx“]

Franz_Autor

 

 

2 Kommentare zu “Über den Wolken

  1. Lieber Franz, lieber Mike,
    wie schön, von Euch zu hören und zu lesen! Alles sehr angenehm hier, das Ganze atmet! Und dann entdecke ich auch noch beim ersten Schlendern auf Eurer Seite den guten alten Gerald wieder…
    Liebe Grüße aus Berlin! Von Eurer jule

    • Liebe Julia,
      ist eure Schrebergartenlaube in Berlin eigentlich bewirtschaftet, um zwei matte Schlenderer wieder zu Kräften zu bringen? Nur den Fall, dass…
      Michael

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