Gib mir ein Vau!

Von Michael (Text) und Franz (Fotografie) – Nordscheife! Hört sich nach der legendären mörderischen Rennstrecke auf dem Nürburgring an, die Jackie Stewart einst Grüne Hölle taufte. Als wir auf die Piste gehen, befindet sich das Grün nur im zarten Triebstadium und mit dem Speed haben wir es an diesem Tag eher nicht. Schließlich brettern wir nicht in der Eifel rum (ist nicht unser Schlenderer-Revier;-)), sondern erkunden den Veischeder Sonnenpfad um Bilstein herum.

Irgendwer hat die komplette, 36 Kilometer lange Runde sinnvoller Weise in zwei Etappen aufgeteilt, eine davon ist eben jene 16 Kilometer lange Nordscheife, die wir, so viel vorab, rundheraus empfehlen können: exzellente, unaufgeregte Tour mit viel Ausguck und der Macht der Natur, dich zu entschleunigen.

Hauptsache, die Neigung führt bergauf

Gut, wir sind konditionell noch nicht soo gut zu Fuß in diesem Frühling und es geht vom Parkplatz in Bilstein aus zur Hohen Bracht gleich steil, aber wie sagte der französische Schriftsteller André Gide: „Es ist gut, wenn man einer Neigung folgt, vorausgesetzt, sie führt bergauf.” Ein Motto, wie geschaffen für dieSchlenderer.de.

Wir folgen unserer Neigung bedächtig, schlagen therapeutisches Tempo an, blicken bald auf die Burg Bilstein zurück, die am gegenüberliegenden Hang unter uns liegt. Wegweiser des Sonnenpfades weisen übrigens noch das Hotel Faerber-Luig aus, das heute längst in holländischer Hand ist und jetzt Hotel Bilstein heißt. Der alte Franz Luig war einst ein zäher, grantelnder Christdemokrat im Lennestädter Rat, man konnte bei ihm und später bei seinem Sohn Udo immer gut einkehren und speisen. Vergangene Zeiten. Mit großem Wohlwollen bemerken wir eine gut ausgestattete Rastmöglichkeit, aber eine Banane kann man im Gehen verdrücken, als weiter, Franz, basta! (Gutes Wort, muss ich unterwegs mal öfter bringen…)

Goethe war ein Tausendsassa

Bald erreichen wir das Areal unterhalb des Aussichtsturmes, das Jugendliche 2006 als Labyrinth mit ordentlichen Wackersteinen drin gestaltet haben. Wir lernen:
Das Südsauerland war mal ein flaches Meer, lange her, vor 380 Millionen Jahren.

Es gab hier entlang mal ein Korallenriff, von Amsterdam bis Rügen, nicht ganz so lange her (370 Mio. Jahre, oder so).
Goethe, dieser Tausendsassa, war nicht nur als Dichter, Biologe und Farbenlehrer, sondern auch als Geologe unterwegs; zwar nicht im Sauerland, aber seine sachkundigen Sprüche zieren die Infotafeln.

Erlebnisgastronomie der eigenen Art

Unterhalb der Hohen Bracht ächzt und stöhnt das Teerpappendach eines alten Kiosks, an dem ein Bagger knabbert. „Sag mal einer, es gäbe hier keine Erlebnisgastronomie”, sagt der Turmwirt, als das Holz sich mit einem krachenden Laut ergibt. Immerhin dürfen wir ohne Aufschlag auf die Turmbesteigungsgebühr (sagt man das so?) von 0,50 Cent pro Nase nach oben, macht 1,50 E, weil wir mit Martin zu dritt sind.

Oben bist Du der Aussichtskönig. Homert, Ebbegebirge und Rothaarkamm, bestückt mit Nordhelle, den Windrädern der Stöppel oberhalb Halberbrachts und dem Rhein-Weser-Turm und was Du sonst noch alles erkennen kannst. „So schön hat Gott die Welt gemacht” verkündet eine historische Inschrift auf der Turmspitze. Yes, genau so ist es, hier hat er sich besondere Mühe gemacht.

Auch kleine Nesseln brennen wie ganz, ganz große

Der Sonnenpfad macht seinem Namen an diesem Tag ganze Ehre, 24 Grad, wolkenloser Himmel, der Weg mit dem „Vau” als Markierung trägt uns in sanften Schwingungen und Kehren und Neigungen und bremst uns ab bis kurz vor die Negativgeschwindigkeit. Fehlt uns was? Ja, das volle Grün der Bäume und Sträucher, der betörende Duft der Blüten und jener Himbeersaft verdünnt mit Wasser, wie ihn uns unsere Mütter anno dazumal mit auf die ersten Wanderungen gaben. Franz lernt bei der Nahstaufnahme einer uns unbekannten Pflanze: Brennnesseln, auch ganz, ganz klein und ganz, ganz jung, können brennen wie ganz, ganz große.

Jeder von uns war irgendwann mal schon hier

Franz war als Kind sogar mal in Bonzel in den Ferien, behauptet er, und erntet ungläubiges Staunen von einem (ich), der im Sauerland aufgewachsen ist. Da machte man keinen Urlaub, da fuhr man durch auf dem Weg nach Olpe, basta! Die junge Frau Hellekes, die wir zufällig im Ort vor ihrem Haus antreffen, bestätigt seine Erinnerung. Oben unter dem Dach sei früher eine Ferienwohnung gewesen. „Das ist ja eine Sache”, sagt sie. Orts- und sonnenpfadkundige Wanderer werden hier anmerken, dass wir – natürlich aus rein wandertherapeutischen Gründen – von der Originalroute abgewichen sind und die Talvariante zur Burg Bilstein nehmen.

Oben großer Trubel. Mehrere Kindergruppen, eine große Seniorenmannschaft. Super Location für eine Jugendherberge. Auch Martin gesteht unter dem herzzerreißenden Eindruck dieser Idylle seine Schulklassen-Sauerlandferien-Burg-Bilstein-Herbergs-Vergangenheit. Plötzlich zerreißt ein schriller Pfiff aus einer Trillerpfeife das rege Treiben der Generationen. Die holländischen Senioren traben ab, geordneter Rückzug innerhalb von 30 Sekunden. Franz, hiergeblieben! Ist (noch) nicht unsere Altersklasse.

Franz_Michael_klein

 

Die nachfolgende Tour haben wir bei Sauerland.com heruntergeladen unter diesem Link.

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