Unbegehbar

Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Es gibt Wanderungen, über die man eigentlich nicht viele Worte verlieren sollte. Diese, von der Fürwigge-Talsperre hoch zur Gasmert, ist so eine. Das Elend fängt an, wenn man von der Staumauer ins Tal hinuntersteigt und die L696 quert.
Mein Gott, was ist denn hier los? Mocke, tiefer als knietief, von schwerem Gerät unter Zuführung von reichlich Wasser zu sämigem Schlamm verarbeitet. Der Bach strudelt bereits lehmbraun heran, offenbar wird er schon im Oberlauf verdreckt. Da kommste net durch, ohne dir eine fette Moorpackung bis zu den Schenkeln einzuhandeln.

Bypass zum Morast suchen

Wir machen, war wir in solchen Fällen immer machen: einen Bypass suchen, parallel zum morastigen Kanal. Die Waldpassage auf weichem Moos und nasser Wiese ist schön, aber nur kurz, dann wird es wieder wüst. Mit vorsichtigem Balancieren queren wir die tiefen Lehmfurchen, ohne unsere Schuhe im saugenden Untergrund zu verlieren. Watstiefel wären nicht schlecht für solche unbegehbaren Wegstrecken.

Riesige Landschaftsbaustellen

Das stille Zerstörungswerk der Borkenkäfer hat zu verheerenden Kahlschlägen geführt. Du läufst durch eine riesige Landschaftsbaustelle. Weiter oben wirkt unbeirrt des tiefen Bodens ein Rückefahrzeug auf einem kahlen Kopf, Knacken und Malmen begleitet sein Werk, warnendes Fiepen bei Rückwärtsfahrt. Dazu wird, so hat es den Anschein, überall gesägt. Weichst Du einer Motorsäge aus, läufst Du in die nächste. Es ist wie beim Märchen von Hase und Igel: Ick bün all hier.

60 Millionen Bäume zerfressen

Eine Infotafel auf dem Wanderparkplatz Piene verspricht Wälder, Moore, Fernsicht. Moore ja, aber Mocke, Schlamm einfach treffendere Ausdrücke. Angesichts der Wüstungen fragt Franz: „Wie wird das Sauerland wohl in ein paar Jahren aussehen?“ Entkernt, gerodet. Schon 60 Millionen Bäume haben die Käfergenerationen in Nordrhein-Westfalen stiekum zerfressen, und hier, an der Fürwigge, sieht es an diesem Tag besonders trostlos aus. Der Wald ist tot, so oder so, weil sich auch die Tierwelt nicht blicken lässt.

Text, der einen schlechten Ort beschreibt

Oben sieht es kaum besser aus. Der Himmel hat die billigste graue Kulisse aus dem Schrank gezogen und verstärkt die Trübheit des Tages. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass vor 40 Jahren Mark David Chapman den Ex-Beatle John Lennon vor dem Dakota-Building in New York mit mehreren Schüssen in die Brust tötete, dann kann dieser Tag unter keinem guten Stern stehen. Dystopie (Text, der einen schlechten Ort beschreibt): fade out.

Jaaa, Tatort DO war schön

Gab es auch was Schönes? Ja, eine Anekdote aus einem Radio-Feature zu Lennons Tod. „Hey, John Lennon, wann wirst Du die Beatles wiedervereinigen?“ ruft eine Gruppe Twens im Central Park Lennon und Yoko Ono zu. Antwort: „Wenn ihr wieder auf die Highschool geht.“ Lennon sei sehr freundlich gewesen.
Ach ja, berichtenswert auch: Man konnte sich den zurückliegenden, sonst völlig verpeilten Tatort Dortmund wieder anschauen. Sehr viel(Lütgen-)Dortmund, sehr sehenswerte, sehr bewegende, aber auch sehr brutale, grenzwertige Momente. Faber sieht, wenn er nicht den Kotzbrocken geben kann, neben den coolen Münchener Bullen wie einer seiner hilflosen Kinderkommissare aus.
Zurück an der Staumauer holt uns der Tag wieder ein. Am Pegel der Fürwigge fehlen Dreikommanochwas-Meter. Zu wenig Wasser, zu viele Käfer, und damit ist das Dilemma in wenigen Worten beschrieben.

Kommentar zu “Unbegehbar

  1. Liebe Schlenderer. Auch wenn der Anblick momentan trostlos ist, so birgt das Werk des Borkenkäfers doch endlich die Chance des Umbaus von einer völlig unnatürlichen Fichtenspargel-Monokultur hin zu einem ökologischen Mischwald. Dem Sauerland ist es nur zu wünschen. LG aus dem Schwarzwald, Gerald

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