Drei Sterne überm Sauerland

„Kann man sich ansehen“ – Ein größeres Lob aus dem Munde eines von der Muse ungeküssten Sauerländers ist sicher nicht drin, auch wenn es sich bei der Ausstellung „Dreigestirn der Moderne“ im Attendorner Südsauerlandmuseum um 35 Lithografien und Farbholzschnitte von Pablo Picasso, Joan Miró und Marc Chagall handelt.
Wie kommt eine derart hochkarätige Ausstellung mit Exponaten von Superstars der Malerei ausgerechnet in die Sauerländer Provinz?

Fabriken mit Seerandlage

Zunächst einmal Attendorn: Eine Ansammlung vieler großer Fabriken mit Seerandlage, einem neuen Kino, einer Höhle und Resten mittelalterlicher Architektur im Ortskern. Die Wirtschaft brummt – noch. Die fürnehmste Aufgabe der lokalen Wirtschaftsförderung besteht in der Bereitstellung neuer Gewerbegebiete. Die Attraktivität der Innenstadt – verblasst, weshalb man ernsthaft überlegt, mit der Geschichte als alte Hansestadt für Attendorn zu werben. Vorwärts, zurück in die Vergangenheit.
Allerdings führt ein feines Netzwerk aus der Sparkasse ALK direkt zum Kunstmuseum Pablo Picasso in Münster (nicht wahr, @Medienkanzler?). Eine Stiftung, in der neben dem Mäzen-Ehepaar Gert und Jutta Huizinga u.a. die Sparkassen Westfalens beteiligt sind, und die Kunst in die Region bringen möchte. Ja, und wenn einem über solche Kontakte Bilder von Picasso, Miró und Chagall angeboten werden, da „sagt die Chefin nicht Nein“, meint die freundliche Dame am Empfang. Der Andrang bei der Ausstellungseröffnung sei kaum zu händeln gewesen. Kämpfen musste Monika Löcken, die Leiterin des Südsauerlandmuseums, nur mit den architektonischen Eigenheiten des Baus: Die Kunstwerke verteilen sich über das Erdgeschoss und die 2. Etage, die erste Etage dazwischen mit der Dauerausstellung auszuräumen, wäre ganz sicher zu aufwändig gewesen.

Staunen und bewundern

Überhaupt werden Museen überschätzt, glaubte bereits Pablo Picasso, weshalb Löcken ihn im Ausstellungskatalog mit einem Satz zitierte. „Museen sind nichts weiter als ein Haufen Lügen, und die Leute, die aus der Kunst ein Geschäft machen, sind meistens Betrüger.“ Löcken bezieht das harte Urteil Picassos auf die Deutungshoheit, „die die akademischen Kuratoren bei der Interpretation von Kunstwerken für sich beanspruchen“.
Befreit von der Last, sich etwas Wichtiges bei der Betrachtung der Kunstwerke denken zu müssen, lässt es sich entspannt durch die Ausstellung schlendern. Noch einmal Monika Löcken: „Bei Führungen darf der Besucher staunen und bewundern.“

Mirós sprießende Gestaltwelt

Wer nur den surrealistischen Picasso kannte: Er konnte in seinen frühen Jahren auch gegenständlich und figürlich schaffen (z.B. „Die Lektüre“, „Mädchenkopf“ in drei Zuständen). Die roten Farbkleckse und -striche im „Gesang der Toten“ könnte man als Unbedarfter auch Miró zuschreiben. Mit der „Figur in gestreifter Bluse“ wirbt das Museum übrigens für diese Ausstellung.
Miró sagte über sich selbst, dass er wie ein Gärtner arbeite. „Konform zu seinem Selbstverständnis floriert seine Gestaltwelt, sie sprießt und treibt Blüten in organischen Metamorphosen“, schreibt Prof. Dr. Markus Müller, Direktor des Picasso-Museums im Ausstellungskatalog. Die Lithographien aus den Malerbüchern „Parler seul“ (Text: Tristan Tzara) und „À toute épreuve“ mit Gedichten von Paul Éluard sind beredte Beispiele dafür. „Was denkt sich jemand, der so etwas malt?“ fragt sich ein gedankenverlorener Betrachter von roten Kringeln und satten blauen Farbklecksen. Sicher etwas Schönes. Man muss nichts von Kunst verstehen können oder von der überladenen Deutung der Kuratoren oder vom Noten- oder Partiturenlesen. Kunst betrachten ist wie Musik hören: Sie rührt dich an, bringt ein Saite in dir zum Schwingen.

Der Höhepunkt: Chagalls Lithografien

Und das ist etwas, das Marc Chagall außerordentlich gut verstand. Höhepunkt der Ausstellung sind seine großformatigen Farblithografien und -holzschnitte (gut, es gibt auch welche in Schwarz) im abgedunkelten Raum in der zweiten Etage. Zum Beispiel „Hahn über Paris“, „Das Liebespaar vom Eiffelturm“, „Die Dächer“: Diese Farben, dieses Schwebende, diese Leichtigkeit, zum Niederknien schön. Noch einmal Dr. Müller: „Marc Chagall ist unangefochten der große Farbmagier in der Kunst des 20. Jahrhunderts.“
Eine Ausstellung, die man unbedingt gesehen haben muss!
Sonderausstellung „Dreigestirn der Moderne“, 18. Nov. 2019 bis 16. Febr. 2020
Öffnungszeiten Südsauerlandmuseum:

Di. – Fr. 11 bis 18 Uhr, Sa. 11 bis 15 Uhr, So. 13 bis 18 Uhr
Wer sich die bildungsbürgerliche Kante geben will, bucht eine Führung durch die Ausstellung unter Tel.: 02722-3711 oder

Anm.: Alle Fotos dienen ausdrücklich nicht irgendeiner kommerziellen Verwertung und sind so (schlecht) aufgenommen, das sie nicht zu diesem Zwecke verwendet werden können.

 

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