Oben im Glockenstuhl: Heiliger Bimbam!

Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Wenn wir einen Bericht in dieser Form titeln, ist das ein Ausdruck voller Begeisterung und hat keine abwertende Note. Wie das dazu führte, und es führte dazu sehr früh, davon handelt dieser Text.
Wir parken direkt an der St.-Pankratius-Kirche in Sundern-Stockum.

Franz fällt fast vor Begeisterung aus dem Auto, weil: vor der Kirche leuchten satte Blühstreifen. „Schööön, das erste Highlight der Tour.“ Grellroter Mohn, Flockenblumen halten mit blauen Tupfern dagegen, Kamille, Nelken, undundund. Bei unseren Touren ist es Gewohnheit, einen Blick in die örtlichen Kirchen zu werfen. „Nehmen Sie die Tür auf der gegenüberliegenden Seite, hier mache ich jetzt zu“, sagt am Haupteingang ein freundlicher älterer Herr, der sich wenig später als Küster Werner Starke vorstellt. Im Vorbeigehen frage ich ihn: „Ist das eine alte Wehrkirche?“, wegen des trutzigen Baus.

Der schiefe Turm zu Stockum

Herr Starke macht auf dem Absatz kehrt und was folgt, ist eine intensive Kirchengeschichte samt Erklimmen des Glockenturmes. Werner Starke ist seit fünf Jahren Küster der Pankratius-Kirche in Stockum, er wurde „dringend gebeten, das Amt zu übernehmen“, weil es sonst niemand macht. Die Kirche wurde im 12. Jahrhundert als romanisches Gewölbe errichtet und im 13. Jahrhundert umgestaltet. „Die Seitenschiffe wurden hochgezogen, um Fenster einzubauen“, sagt der Küster. Der Turm sei übrigens ein Wahrzeichen Stockums, weil er schief steht. „Er neigt sich genau 1,227 Meter aus dem Lot nach Westen“, weiß Werner Starke. Angeblich mit Absicht gegen die Hauptwindrichtung Westen so errichtet, damit er bei einem Sturz nicht auf die Kirche fällt.

Bemerkenswertes Geläut

Pankratius steckt voller alter Geschichte. Das älteste Stück ist eine alte Grabplatte aus dem 11. oder 12. Jahrhundert, die Ritzungen eines Diagonal- und eines Scheibenkreuzes enthält. Der gotische Altar trägt sieben Steinreliefs mit religiösen Motiven, das viersitzige Chorgestühl mit Symbolen der Sünden Zorn, Stolz, Klatsch und Verleumdung sowie Völlerei hat Pfarrer Johannes Dressler 1452 der Kirche gestiftet, ein Taufstein aus dem Jahr 1220 steht in einer eigenen Kapelle.
Das Geläut der Kirche sei bemerkenswert, meint Werner Starke. Drei der zehn Glocken stammen aus der romanischen Epoche und sind 800-850 Jahre alt. „Sie stammen aus einem Guss und das ist deutschlandweit eine Besonderheit“, merkt der Küster an.

Balken aus dem Mittelalter

„Ach, wollen Sie die Glocken mal sehen?“, fragt er mit einem Blick auf seine Uhr. Ja, wollen wir! Und so schrauben wir uns über blankgewetzte Stufen, Bruchsteinmauern rechts und links nahe, später über Holzstiegen in den Glockenstuhl. Ein paar Gäste sind schon vor uns da. In der Schießscharte hocken auf dem Geröll mehrere  Jungfalken und warten auf Atzung, die Mutter ist unterwegs Mäuse oder Tauben holen. Die drei romanischen Glocken erkenne man an ihrer Zuckerhut- Form, sagt Werner Starke. Auch das Gebälk hier oben ist uralt, einige Hölzer sollen aus dem Mittelalter stammen. Unsicher schauen wir uns um, sooo alt? Der Glockenstuhl wird allerdings regelmäßig auf Statik und Tragfähigkeit überprüft, denn die schwerste Glocke wiegt 1,1 Tonnen, sagt Starke. Das Erzbistum habe für den Job eigens zwei Fachleute angestellt.

Ab auf die Zeitspuren

Dann muss der Küster doch weg, das Zeitfenster der Kirchengeschichte schließt sich für drei begeisterte Schlenderer und die Tour, die über weite Teile der Sunderner Zeitspuren danach folgt, ist die Sahne auf dieser informativen Kirchenführung. Teilweise samtige Pfade auf moosig-grasigem Untergrund, schattige Single Trails wechseln sich ab mit breiten Forststraßen mit verblüffender Fernsicht. Klar, vor Jahren stand hier mal Wald. Die Zeitspuren werden offenbar nicht oft begangen. Ab und zu stiefeln wir über unwegsames Gelände mit hohem Gras, Sträuchern und Gestrüpp, Hindernislauf nur Hilfsbegriff. Die Zeit hat eben ihre Spuren hinterlassen.
An der Ossensteinhütte rasten wir, stellen uns protzig auf die jäh aufragenden Felsen. Neu (für uns) ist der Pfad, der nun am Ossenstein hinunterführt. Ein schöner Abgang!

 

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