Auf dem Holzweg

Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Die Wanderung fängt mit einer verblüfften Frage an. „Ist das schon der Homert-Turm? – Ey, das war hier früher mal alles Wald!“ Jetzt stehen um das schlanke Gebäude herum nur ein paar kümmerlich dürre Laubbäume, und die Gegend ist schlichtweg verwüstet. Kann man wirklich nicht milder ausdrücken.
Gut, Du hast jetzt dafür einen wunderbaren Blick auf die Hügel von Lüdenscheid und den davor liegenden Stilleking, den wir wieder mal durchlaufen wollen. Aber: zu unseren Füßen eindeutig Kahlschlag, Heimsuchung des Borkenkäfers, stille Katastrophe, auch wenn wir als seriös ausgebildete Journalisten nicht gerne zu solchen dramatischen Begriffen greifen.

Ein hölzerner Schädelort

Von der Aussichtsplattform des Turms hätte man vermutlich eine noch bessere Weitsicht, doch die verschlossene eiserne Tür am Fuße weist Besucher ab. Wegen Vandalismus nur am Wochenende geöffnet.
Um den Turm herum liegen haufenweise tote, kahle Äste, ein Gebeinefriedhof, ein Kalvarienberg, meint Martin, ein hölzernes Golgatha. „Schädelort“, wie Golgatha überliefert heißt, genau das ist es: eine graubraune Wunde, die sich quer durch die Wälder des Sauerlandes zieht, und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Sechs, sieben Meter hohe Holzpolter reihen sich am zerfurchten Wegesrand und man könnte ohne zu lügen ein Schild davor stellen mit der Aufschrift: Ich war einmal ein Wald.

Belaubte Hoffnung

Unten im Tal trotzt am Stilleking die jahrhundertealte Gerichtslinde dem Käfer und anderen Fährnissen. Um 1473 wird der älteste Gerichtsschein datiert um einen Rechtsstreit, der unter dem mächtigen Baum ausgetragen worden ist. Belaubte Hoffnung, immerhin.

Dann stellt uns die Fauna eine Frage, mit der wir eine geraume Zeit lang hadern. Sind die zwei Vögel, die wir auf der Weide der hier beheimateten Heckrinder beobachten, Neuntöter oder ein Raubwürger? Zu weit weg, aber auch. Um die Augen herum eine Maske wie die Panzerknacker aus den Micky-Maus-Heften.

Steinschmätzer auf dem Stilleking

Immerhin gibt eine der zahlreichen Infotafeln im Naturschutzgebiet Stilleking einen ersten Hinweis. Der Raubwürger ist hier im Naturschutzgebiet ein Wintergast. Artig posiert ein Vögelchen für uns auf einem kleinen Stein. Franz simst später, nach Auswertung seiner Fotos: Es sind Steinschmätzer, in Deutschland ebenfalls selten zu sehen. Er vermutet, dass es Durchzieher sind; aber Ende April? Schätze, sie brüten auch am Stilleking. (Nebenbei: Über Elspe dreht der Schwarzstorch wieder seine Runden).

Ein Knüppeldamm

Auf dem weiteren Weg zur Jubach-Talsperre hinunter müssen wir über die zusätzlichen Verwüstungen steigen, die die Waldarbeiter hinterlassen, um die Verwüstungen des Borkenkäfers abzuräumen. Rund 200 Meter Wanderweg sind kreuz und quer mit toten Ästen und Stämmen verbarrikadiert. Ein Knüppeldamm, über den wir hinwegmüssen, wir sind endgültig auf dem Holzweg.
Unten am See tanken wir Stille, Wäme und Ruhe und steigen wieder hinauf. Am Gegenhang taucht dann der Homert-Turm wieder auf: die weiße, schlanke Silhouette ragt auf dem rasierten Hügel auf wie ein Leuchtturm, dem die grünen Wogen des Waldes abhanden gekommen sind.

Obacht: Ausnahmsweise stellen wir die Streckenführung nicht auf outdooractive dar. Die Tour war einfach zu gruselig!!!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*
Website