Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Als sich die Nebelmütze um den Gipfel des Skottinden lüftet, erhaschen wir einen kurzen Blick auf das „Matterhorn der Lofoten“. Obwohl er nur 671 Meter hoch ist, bringt er alles mit, was auch ein alpiner Gipfel hat. Schon ein steiler Zahn.
Zum Skottinden führen zwei Hauptrouten: „Hintenrum“ über Ballstad oder direkt vom Nappstraumen hoch, dem Sund, der die Inseln Vestvågøya und Flakstadøya trennt. Allerdings muss man bei der Direktvariante eine etwa 1,5 km lange Fußstrecke einplanen, denn die Fahrt über den „Privat vei“ ist untersagt. Wanderer sollten sich strikt daran halten, weil die Anwohner überhaupt keinen Spaß verstehen, wenn lauffaule Menschen ihnen die enge Zufahrt zu ihren Häusern zuparken.
Der Wikingerhelm hatte KEINE Hörner
Exkurs aus gegebenem Anlass: Wer etwas über den Charakter der Ahnen der Norweger erfahren will, ist im Lofotr-Vikingmuseum in Borg gut aufgehoben. Dort steht ein rekonstruiertes Wikinger-Langhaus und redegewandte Führer geben sich alle Mühe, einige Vorurteile über die Wikinger auszuräumen.
Also: Der Wikinger war seiner Zeit weit voraus, hat seine Frau nicht geschlagen und Gleichberechtigung der Geschlechter war für ihn kein leeres Wort. Im Gegensatz zu dem in den Medien kolportierten Bild schmückte er seinen Helm NICHT mit Hörnern. Er war stets gut frisiert an Bart und Haupthaar, trug modische, farbige Kleidung und legte Wert auf Inneneinrichtung, denn er trank bereits aus zarten Gläsern. Aber, und hier kommen Mythos und Wirklichkeit wieder zur Deckung, konnte der Wikinger manchmal nicht umhin, fremde Länder zu überfallen und zu plündern. Dies sollte man im Hinterkopf haben, wenn man seinen Wagen unter einem Schild mit der Aufschrift „Privat Parkering“ abstellen will.
„Hintenrum” auf den Skottinden
Wir nehmen die Route „hintenrum“, weil sie auch die landschaftlich schönere ist. Rechts, ein ganzes Stück hinter der Schule in Ballstad, schlängelt sich alsbald ein schmaler Pfad durch eine felsdurchsetzte Heidelandschaft. Franz gerät schnell in Verzückung: „Ist das toll hier.“ Ist es. Raue, ursprüngliche Natur, durch die nur fußbreitgroße Steige führen. Immer wieder werfen wir einen Blick zurück über die Schulter auf das Meer.
Oben auf einer Hochebene, reißt die Nebelwand auf und gibt den Blick auf den Nappstraumen frei. Ganz unten, am Ende des Sunds, liegt Bennos Haus und unsere Rorbu vor glitzerndem Wasser. Die Farbe des Nappstraumens ändert sich mit jedem Sonnenstrahl und Franz entfährt wieder die für die rasante Landschaft der Lofoten zutreffende Erkenntnis: „Hier kannst Du jede Sekunde ein anderes Foto machen.“
Sportive Direktroute
Flüchtig erhebt sich das Gipfeldreieck des Skottinden über dem Kamm und verschwindet gleich darauf wieder im Dunst. Aber wir haben die Mädel gesehen, die die Direttissima vom Nappstraumen (inkl. Falschparken) genommen haben. Sie ist sportiver, weil steiler und kürzer als unser Trail, der jedoch weitaus abwechslungs- und aussichtsreicher ist. Was die jungen Leute an Kraft und Geschmeidigkeit voraus haben, müssen wir durch Zähigkeit und Beharrlichkeit und längere Wege wettmachen.
Selfie im Nebel
Naja, fast. Eine schrofige Steilstufe mit alpinem Charakter saugt uns alten Kerlen das Mark aus den Knochen, danach geht es in leichter Kletterei zum Gipfelaufbau. Oben sieht man, dass man nichts sieht, denn die Wolken sind dichter geworden. Schnell ein Selfie im Nebel und wieder runter. Im Eifer des Gefechts – und einer Sichtweite unter 50 Metern – steigen wir zu tief ab und verpassen den richtigen Rechtsabzweig. Für diejenigen, die jetzt schadenfroh feixen, ein wichtiger Hinweis: Auf den Lofoten gibt es keine gekennzeichneten Wanderwege, man sollte also gut vorbereitet in die Natur starten. Mit Smartphone und der gespeicherten GPS-Route nordet Franz uns wieder ein. Jetzt ist es nur noch ein kräftezehrendes Abstiefeln aus dem Dunst bis nach Ballstad.