Schwerelose Wehmut

Wie machen die Briten das bloß? Die Inseln scheinen ein schier unerschöpfliches Reservoir an musikalischen Talenten zu bergen. Mit London Grammar leuchtet seit einem Jahr ein neuer Stern am Indie-Himmel. Auf dem Ende November erschienenen Album „If you wait“ demonstrieren drei junge, schöne Musiker aus Nottingham, wie man mit wenigen, aber exquisiten Zutaten stimmungsvolle Songs zaubert. London Grammar zelebriert Entrückheit und Schwerelosigkeit, tongebiet hat sich davontragen lassen.

Tiefhängende Mollwolken

Das Schubladenziehen vorneweg: Wer die schwermütigen Kompositionen der Londoner Indie-Band The XX liebt, wird auch London Grammar mögen. Unverkennbar ist deren musikalisches Erbgut – Singer/Songwriter, Pop, elektronische Anklänge – von dem minimalistischen Stil von The XX geprägt. Grammar-Gitarrist Dan Rothman „kann“ das gleiche prägnante, sparsame Fingerpicking wie Romy Madley Croft (XX), hier wie dort erzeugen gelegentlich subsonische Synthiebässe ein Gefühl tiefer Verlorenheit und segeln tiefhängende Mollwolken durchs akustische Set. Emotionale Klangbilder aus der Tiefe des Raumes. Und dann diese Stimme!

Wobei man spätestens hier einräumen muss, dass auch Parallelen irgendwann einmal enden. Denn Sängerin und Grammar–Frontfrau Hannah Reid stiehlt allen die Show. Ihre ausdrucksstarke glockenhelle Stimme schwingt sich wie aus dem Nichts heraus in ungeahnte Höhen, tiriliert und haucht, betörend und zerbrechlich zugleich. Keyboarder und Schlagzeuger Dot Major muss schon ein Klischee bemühen, um Hannahs Vermögen einzuordnen: „Ich weiß, dass dieses Wort oft missbraucht wird, aber ich denke, dass Hannahs Stimme wirklich einzigartig ist.“

Stimme der zweifelnden Jugend

„Du hast dein Leben auf Vertrauen aufgebaut“, singt sie in „Metal & Dust“ und weiter: „Though it starts with love and lust. And when your house begins to rust, it’s only metal and dust“. Reid als wehmütige Stimme einer zweifelnden Jugend. Kaum eine andere Band derzeit bringt deren Lebensgefühl wohl so auf den Punkt wie London Grammar.

Und wie es für eine Band der jungen Generation beinahe schon selbstverständlich ist, begann die Karriere von Reid, Major und Rothman im Internet. Vor einem Jahr veröffentlichten sie „Hey now“ auf Soundcloud und die Dinge nahmen ihren Lauf. Mittlerweile wurde das Lied auf youtube mehr als 2,3 Millionen Mal angeklickt. Derzeit tourt London Grammar in Australien, Ende Januar folgen Heimspiele in UK und Gastspiele in den benachbarten Ländern Frankreich, Belgien und Niederlande, später in den USA. Live sind die Musiker zu sehen hier:

STRONG | Wasting My Young Years

„If You Wait“ | London Grammar | Island (Universal)

© des Covers: Island/Universal

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