Ein magischer Ort

Von Mirchl und Dorotä – Du kannst in Algund schon sehr gut essen gehen; es gibt in dem Nachbarort von Meran einige feine Adressen. Gutes Essen und gute Unterhaltung wird allerdings nur einmal serviert: beim Schnalshuber, einer urigen Buschenschank, versteckt gelegen in den Weinreben und Apfelgärten im Ortsteil Oberplars. Der uralte, nach biologischen Grundsätzen bewirtschaftete Bauernhof der Familie Pinggera aus dem Jahr 1318 dient als ehrwürdige Kulisse für eine Magen, Herz und Seele erfrischende Mahlzeit.
Wer die Pinggeras – Rosa (die Köchin), Hansjörg und Christian (der Service: Vater und Sohn) besuchen möchte, tut gut daran, sein Kommen möglichst weit im Voraus anzukündigen: Vorbestellung ist hier Pflicht und Christian Pinggera macht bei seinen Gästen keinen Unterschied nach Rang oder Namen. „Hascht aang’meldet?” fragt er und die Tatsache, dass oft nur der Vorname bei der telefonischen oder mündlichen Vorbestellung notiert wird, mag als Indiz dafür herhalten, dass Dir dein gesellschaftlicher Stand oder dein großer SUV hier herzlich wenig nutzt. Und das ist gut so.

„Das ist der Südtiroler Schnitt”

Diese vom Gastgeber vorgenommene „Einebnung” der Kundschaft hat einen verblüffenden Effekt: Hier gibt es keine Schranken, die man überwinden muss und so wird schnell in jeder der zusammengewürfelten Tischgesellschaften munter diskutiert. Dass „der Vaader” und Christian hierbei eine beschleunigende Rolle spielen, sei nur schon mal angedeutet.

Gelobt werden die hausgemachten Knödel

Jetzt aber: zu den Speisen. Rosa Pinggera pflegt in ihrer Küche schmackhafte, einfache traditionelle Südtiroler Kost. Eine Speisekarte gibt es nicht – ebensowenig eine Preisliste -, die Köchin und der Vorrat geben vor, welche und wie viele Gerichte es jeweils gibt. Schnals_Algund_2014_980Ein Blatt von einem schmalen Notizblöckchen verschafft dem Service Übersicht, was es (noch) zu verteilen gibt und was bereits gestrichen ist. Gelobt und gerühmt werden die hausgemachten Knödel: je nach Jahreszeit mit Pilzen, Käse, Speck oder Roter Bete, Schlutzkrapfen oder ein „Biss”, ein Knödel nach Wahl mit Schlutzkrapfen umlegt, ein saftiges, zart geschmortes, würziges Gulasch, Vitello tonnato, Fleischpflanzerl mit Steinpilzsauce, Spareribs, Schweinsstelzele, Wangele (Rinderbäckchen), Osso buco und hausgemachte Marillenknödel oder göttlicher Schokoladenkuchen zum Abschluss. Ach ja, den Jausenteller mit dem ebenso göttlichen Speck vom Schwäbisch-Halleschen Schwein hätten wir fast vergessen.

Späck muss man fein schneiden

Beim Speckessen scheidet sich der Tourist vom Kenner, deshalb gibt Christian den Anfängern ein scharfes Messer und einen Einsteigerkurs, gewürzt mit einem Seitenhieb. „Das ist der Südtiroler Schnitt”, sagt er und schneidet in einem Zug fein die Schwarte, dann den geräucherten Gewürzrand ab. „Und das ist der bundesdeutsche Schnitt” – und setzt das trennende Messer am kernigfesten weißen Speck an, der für deutsche Gäste gleichbedeutend mit Fett ist und Fett ist pfui. Dieser „Späck”, zu gleichen Teilen rot und weiß und hocharomatisch, schmilzt förmlich auf der Zunge und hat mit dem herkömmlichen Bauchspeck aber auch gar nichts gemein. Mit einem Vinschgauer Brötchen oder Schüttelbrot, dazu selbstgemachte Wurst, aromatische Käse aus der Algunder Sennerei und eigenem Wein eine herrliche Mahlzeit! 

„Des is a Medizin, Medizin!”

Begleitet werden die Gerichte von eigenen Weinen in Bio-Qualität, dem leuchtend hellroten Vernatsch, dem Blauburgunder oder den seltenen Spezialitäten wie der autochthonen Sorte Fraueler, einem exotisch schmeckenden Weißen oder dem Chambourcin, einer schweren roten Sorte, die in Oberplars einen wohl einzigartigen Brückenkopf außerhalb Frankreichs besitzt. Er duftet nach dunklen Früchten und ist im Mund füllig-fruchtig und hinterlässt einen Nachhall von Blaubeeren und Schokolade. Das ist kein Wein, behauptet der Senior-Chef, „des is a Medizin, Medizin!” Ruft’s und kippt mit ausholender Geste einen Schluck in sich hinein. Allerdings sollte man dieses alkoholschwere Flaggschiff nicht unterschätzen; wer in der animierenden Atmosphäre des Schnalshuberhofes, draußen unter der weinbelaubten Pergola oder in dem dunklen, denkmalgeschützten Zeitungszimmer, in dem alte Zeitungsseiten an der Täfelung hervortreten, zuviel davon trinkt, geht mit „runde Fias” nach Hause.

Die unterhaltende Komponente ist nicht zu unterschätzen

Womit wir bei der unterhaltenden Komponente des Personals angekommen wären. Einen nicht unerhelblichen Teil des unnachahmlichen Flairs machen die darstellerischen Fähigkeiten und die ruppig-herzliche Schlagfertigkeit von Christian, „Vaader” und Rosi, der Allzweckwaffe im Service und in der Küche (neben Seniorköchin Rosa) aus. Wer als Gast schwankt angesichts der mündlich vorgetragenen Auswahl („Die Knedel kennscht ja, zum Vitello kriegscht a Dingele dazua” – das mit dem Dingele, a Kartofelle, das nehm ich!), der bekommt zu hören: „Du muscht es essen.” Und mit einem Spruch bekommt der Senior garantiert alle zum Lachen: „Alles bio, alles selbstgemacht – bis auf die Kinder!”

Hier ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile

Wer beim abschließenden Himpärr- oder Brompärr-Schnaps – Christian Pinggera destilliert darüberhinaus viele andere Früchte und Reben – nicht zu der Einsicht gelangt, dass hier das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile, dem ist nicht mehr zu helfen. Der Schnalshuberhof ist ein magischer Ort.
Schnalshuberhof: Oberplars 2, I 39022 Algund, Tel.: +39 0473-447324

Geöffnet: 19. Febr. – 26. Juli, 13. Aug. – 13. Dez., Do-So ab 17 Uhr, Vorbestellung ist sehr hilfreich!


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