Oberhausen, Part I – Eve Arnold

Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – „Achtung, Ehrfurcht, wir treten großer Kunst gegenüber.” Wenn drei frühere Tageszeitungsredakteure, darunter zwei außergewöhnlich versierte Fotografen, so etwas über eine international renommierte Künstlerin sagen, wirft das die ein oder andere Frage auf. Meinen die das wirklich ernst oder schwingt in diesem Urteil Stutenbissigkeit mit? Können sie noch zu ihrer Objektivität zurückfinden, zu der sie ihr früherer Beruf zwang? Also: Wir besuchen die Ausstellung über die amerikanischen Fotografin Eve Arnold in der Ludwig-Galerie im Oberhausener Schloss und erlauben uns sehr subjektive Ansichten. Zunächst die Fakten. Eve Arnold (1912-2012), wir zitieren auszugs- und bequemerweise aus der Presseinformation, „gehört zu den wichtigsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts.” Sie „tritt 1957 – als eine der ersten Frauen – der legendären Fotoagentur Magnum bei”. Ihre Aufnahmen, Reisefotografien, Reportagen über Malcolm X, den Anführer der Black Muslims sowie Standfotografien an den Film-Sets über die Schönen von Hollywood, erschienen in großen Foto- und Modemagazinen wie Harper’s Bazaar, Vogue oder Life. Die „Grande Dame des Bildjournalismus” verfügt über eine „singuläre und zutiefst humanistische Bildsprache”. Pressesprech AUS.

Oft fehlt die Schärfe

Meine Begleiter (Das ich das als einstiger Textredakteur noch erleben darf: Mit zwei Fotografen zu einem Termin!) interessiert erst mal das Handwerkszeug von Eve Arnold. „Womit hat diese Frau fotografiert? Ah, Asahi Pentax”. Nur eine der zahlreichen Kameras, die Arnold in ihrem langen Berufsleben verwendet hat. Ihre Modelle, aus dem Fundus von Peter Braczko vom Nikon-Club Oberhausen, werden in einer Vitrine gezeigt.

Peter O’Toole mit nacktem Oberkörper

Unter den Aufnahmen sind einzigartige (oft gestellte) Momente, die allerdings eine Aussage aus der Presseinformation nicht belegen: Arnold überzeuge als stille und einfühlsame Beobachterin „sie möchte sehen und dabei selbst mit ihrer Kamera unsichtbar sein”. Joan Crawford vor einem großen Garderobespiegel, die Schärfe und ihr Gesicht hat Arnold indes in den kleinen Spiegel gelegt, den der Star in der Hand hält. Ein überraschender, weil ehrlicher Blick auf Peter O’Tooles nackten, leptosomen Oberkörper. Ein Profil des radikalen Muslimführers Malxolm X, das unter uns Diskussionen über den Bildschnitt auslöst, weil das Objekt links an den Bildrand stößt. (Anm: Eve Arnold hat hier das bessere Argument: Der Ring von Malcolm X mit dem Hilalsymbol für den Islam bestimmt Spannung und Schnitt.) Eine Schwarz-Weiß-Reportage Arnolds aus den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts führt den Betrachter in New York in Hubert’s Museum, das die Männer mit sexuellen Absonderlichkeiten lockt, unter anderem mit einer Frühform einer Peepshow: Der Mann, in Mantel und mit Hut, blickt durch ein einem Mikroskop ähnliches Okular; man könnte ihm beinahe wissenschaftliches Interesse bescheinigen. Die Meta-Ebene des Bildes: Wir werden wie er zum Voyeur.

Warmer Schmelz und Aura

Hätten diese Aufnahmen als Pressefotos heute noch Bestand? Wir kommen überein: zu verschieden sind die technischen Bedingungen der Zeiten: Belichtungsmessung per Hand, chemisch-analoge Entwickung von Negativ und Abzügen, Qualität von Filmmaterial, Kameras und Objektiven können mit der hyperrealistischen Knackigkeit der digitalen Fotografie und ihren vielfältigen Manipulationsmöglichkeiten mit Programmen wie Photoshop nicht mithalten. Allerdings fehlt dieser der warme Schmelz und die Aura, die Eve Arnolds Werke auszeichnen. Doch eines registrieren wir im Verlauf der Ausstellung mit Ernüchterung. Nicht alle Aufnahmen erfüllen den Tatbestand der Schärfe, offene Blende, begrenzte Lichtempfindlichkeit und Korn der Filme und unterschiedliche Qualität der Ausrüstung in Rechnung gestellt. Eine Indira Gandhi war sicherlich auch 1978 auf ihrer Wahlkampftour in irgendeinem Moment präzis zu fokussieren. Warum hängt man dieses und einige weitere diskussionswürdige Aufnahmen dennoch aus? Weil, „wenn Du einen Namen hast, kannst Du hinhängen, was Du willst?”

Im Buch sind die Fotos leuchtender

Merkwürdigerweise entfalten viele der Fotos von Eve Arnold in den in der Galerie ausgelegten originalen Coffee-table-Bänden und ausgestellten Print-Magazinen ein ganz anderes Leuchten, sind fokussierter und lebendiger. Minderwertige Prints? Wir schlendern am Kanal entlang weiter zum Gasometer. Stay tuned!
Eve Arnold: Eine Hommage an die große Magnum-Fotografin, bis 7. Sept. 2014
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11-18 Uhr, montags geschlossen
Ludwig-Galerie Schloss Oberhausen, Konrad-Adenauer-Allee 46

Franz_Michael_klein

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