1 x Lüdenscheid gucken

Von Franz (Fotografie) und Michael (Text) – Warum, zum Henker, wird in einer Wasserburg im Sauerland Wein verkauft? Vielleicht wollte Franz am Schloss Neuenhof im Elspetal eine Antwort auf diese Frage finden und hat Martin und mich nach Lüdenscheid verfrachtet.

Da wird wirklich Wein verkauft, echt jetzt. Bis 2009 besaß Allhard Graf von dem Bussche-Kessell Rebberge im badischen Kaiserstuhl, heute vertreibt eine kleine Handelsfirma, wie wir der Internetseite entnehmen, vorwiegend trocken ausgebaute Tropfen anderer Erzeuger. Eine kleine Liste am Kontor weist die Preise noch in DM aus. Der Burgherr, mit der „Jungen Freiheit“ unter dem Arm, nickt uns dezent zu und entschwindet in die Gemächer.

Schoint Huisken

Schloss Neuenhof, 1326 erbaut, zeigt sich heute als barockes Prachtstück in Bruchstein und Schiefer, zwischen zwei Türmen sorgt ein vorspringender, schön geschnitzter Holzgiebel (ein Nachbau) für eine Auflockerung der Fassade. Man würde gerne näher heran, aber das Schloss wird privat bewohnt und ist nicht für Besucher zugänglich. Schade, nämlich ein schoint Huisken, wie der Sauerländer sagt.

Ein Punchingball für Pferde?

Von der Strecke gibt es anfangs wenig Gutes zu berichten. Das mag daran liegen, dass Tourguide Franz aus Weglosigkeit gerne ein Konzept macht, aber auch an der Landschaft, die sich krautig, buschig und verwachsen präsentiert und nicht, wie versprochen, große Ausblicke eröffnet. Sauerländer Macchia aus Schwarzdorn, Hasel, Holunder, Brombeerranken und kleinen Eichen. Auf einer Pferdeweide in Reininghausen hängt eine seltsame Gummikugel mit Netz herum. Ein Punchingball oder Kick it like Beckham für Gäule? Eine nette Reiterin klärt uns auf. Es handelt sich um eine Pferdebremsenbremse. Das Gummi erwärmt sich, die Quälgeister setzen sich darauf und fallen durch ein Loch in eine Flüssigkeit. „Es wirkt!“, sagt die Frau.

„Muss ja gleich aufhören”

Dunkel verschattete Wälder wechseln sich ab mit aufgegebenen und zugewachsenen Wegen. Wieder einmal hat Franz seine berüchtigten „Spezialwege“ im Programm; zufällig ist ein paar Tage zuvor ein Harvester drübergerumpelt. „Muss ja gleich aufhören“, murmelt er, die Karte wie ein Gebetbuch vor sich her tragend. Man bekommt eine Ahnung davon, warum Außenstehende den Landkreis als Märkisch Kongo bezeichnen. Bis zur Jubach-Talsperre können wir Familien die Strecke reinen Gewissens nicht zur Nachwanderung empfehlen. Vor dem Trinkwasserreservoir noch eine Wasserburg: Haus Rhade bei Kierspe. Auch hier wird privatisiert: kein Zutritt.

Eichen dippen ihre Äste ins Wasser

Am Ufer des Stausees lassen wir unsere vier Buchstaben mangels einer Bank auf die Treppenstufen eines Revisionsschachtes niedersinken. Eichen dippen ihre ausladenden Äste ins klare Wasser, darinnen blitzen kleine Fischleiber silberhell auf, wenn die Sonnenstrahlen auf ihre glänzenden Schuppen treffen. Martin entdeckt einen winzigen, ach was, einen Mikro-Frosch bzw. Kröte.

Auf den Homert-Turm müssen wir Gottseidank nicht hoch: Wegen Vandalismus nur an Wochenenden geöffnet. Überhaupt wehrt sich die Anlage des SGV Lüdenscheid am Fuße des Turms gegen Anschein, sie sei gut gepflegt. Tische und Bänke verrotten, der Turm könnte ebenfalls frische Farbe vertragen, die Hütte wirkt usselig und selten besucht. Kann man Vandalismus auch als Vernachlässigung interpretieren?

Stilleking hat ein besonderes Flair

Dann, endlich: das Naturschutzgebiet Stilleking, das Aussichtsplateau mit Blick auf Lüdenscheid. Bis in die 90-er Jahre pflügten noch Panzer durch die Heide und rödelten Panzerpioniere herum; heute ist das 153 Hektar große Areal „ganz in der Hand der Natur“, wie es auf Informationstafeln heißt. Das Quellblättrige Kreuzblümchen wächst hier und der Behaarte Ginster, und eine Herde Heckrinder rupft und wiederkäut stoisch im Gras. Ja, Stilleking hat ein besonderes Flair und die Stiere und Kühe strahlen eine majestätische Ruhe aus. Und am Horizont kann man Lüdenscheid gucken. Man muss aber nicht 19 Kilometer Anlauf nehmen.

Franz_Michael_klein

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