Bis Henrichenburg

Schlendern ist eine ernsthafte Sache, echt jetzt! Beiläufig muss es sein, ja, versammelt und irgendwie elegant. Nimmt man es nicht ernst, rutscht man in einen Zustand, der Ende der 60er Jahre Gammeln genannt wurde und in dem einem ohne willentliches Zutun lange Haare wuchsen, oft auch mitten im Gesicht! Aber beginnen wir erst einmal mit unserer Kanaltour, bevor wir auf diesen Punkt zurückkommen.

Hafen DO – Henrichenburg am Dortmund-Ems-Kanal lang und als Mittel der Fortbewegung bietet sich hier das Rad an. Ja! Woll! Schlendern kann man auch mit dem Rad oder sogar mit dem Auto, und die Amerikaner haben ein sehr schönes Wort dafür gefunden: cruisen. Wir cruisen also los, wo das Feuerlöschboot der Dortmunder Feuerwehr am Hafen liegt und wo die Mauer am Ufer gegenüber Kriegsbemalung angelegt hat.

Die 1000 Noten brackigen Wassers

Was kriegt man geboten? Provinzialität, gleich hinter dem Hafen, den Duft frisch gemähter Uferraine, Klischees, und zwar in rauen Mengen: die einsame Möwe am blauen Himmel, eine leichte von 1000 Noten brackigen Wassers, Weltklasse-Ruder-Athleten, die unter den schneidigen Kommandos ihres Trainers ihre RC-Hansa-Homebase ansteuern, die ersten Großstadt-Grazien, die im Bikini auf der heißen Seite liegen, Rentner, die, mit Rückspiegel und Radio am Rad, allein auf der Bank buttern, einsame Männer vermuten wir mal scharf poetisch, die der einst vertrauten Zweisamkeit nachtrauern (wir können uns natürlich auch irren, aber es es würde unsere Vorurteile zerstören), Kanadagänse, die wachsam ihre Gössel zu Wasser führen und Bachstelzen – müssten die an einem Kanal nicht anders heißen?

Das rostige Herz eines Kahns

Noch ahnungslos entern die Schlenderer das Schiffshebewerk-Museum in Henrichenburg, Ziel ihrer Tour. Spanische Wortfetzen, niederländisch, hessisches Babbeln – die Atmosphäre wird internationaler. Wir mischen uns unter das Publikum und inspizieren die „Franz Christian“, ein zum marinen Museum hergerichtetes Motorgüterschiff. Die schwül-stickige Luft im holzbeplankten Laderaum, der Blick auf das rostige Herz des Kahns, den Maschinenraum, der auch nach zig Jahren Öl und Diesel schwitzt, die enge Bordkombüse mit altem Holzofen und beblümten Kaffeegeschirr – Zack, andere Zeit: Das hier ist lehrreicher Schulausflug, nur ungezwungen;-)

100 Jahre Schiffshebewerk

Respekt vor der Ingenieursleistung vor genau hundert Jahren, den baumdicken Spindeln, die früher den Trog führten, in dem Kähne 14 Meter hoch und runter fuhren und dann, in der Oberfahrt der Schleuse – scheiße! Wo ist das Schiff?

Welches Schiff?

Na das mit der Ausstellung, das hier liegen sollte! Der Rhein-Herne-Kanal wird im Juli 100 Jahre alt ! Vor genau 100 Jahren war der Kaiser hier!

Große Szene, stimmungsvoller Sonnenuntergang: Am Horizont dieselt ein Schlepper mit der „Ostara“ samt unserer Ausstellung im Laderaum zur Künstlerzeche Unser Fritz in Wanne-Eickel. Übrigens bis zum 1. Juni. Ab 3. Juni bis zum 3. August ist sie wieder im Schiffshebewerk Henrichenburg zu sehen.

Wir kamen auf diesem Weg dahin [map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ gpx=“https://www.dieschlenderer.de/wp-content/uploads/Kanalrunde.gpx“]

Franz_Autor Michael_Autor

3 Kommentare zu “Bis Henrichenburg

  1. Solche wunderschönen Sachen machen gute Journalisten, wenn man sie machen lässt. Warum bloß ist das nur noch in Nischen wie dieser möglich?

  2. Ihr habt von TU-Mitarbeitern nur großes Lob bekommen! Alles sieht ganz toll aus, sehr schöne Fotos, GENIALE Berichte! Nette Details („Such, Maschine“) und super Layout. Weiter so!

    • Liebe TU-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, danke, danke für die Blumen! Für uns eine Verpflichtung, genauso weiterzumachen.
      Michael

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