Zum Schluss erst richtig schön

Von Michael (Text) und Franz (Fotografie) – Heute stellen wir eine Strecke vor, die anfangs großen Selbstzweifel an unserem Tun und Zweifel an unserer Gesamtverfassung aufkommen ließ: Wer steigt schon in Bochum-Langendreer-West aus der Ess1, um eine Wanderung anzutreten? Nicht mal Grönemeyer, behaupten wir, aber ihr kennt die Antwort: dieSchlenderer, die auch der abwegigsten Route eine Chance geben.

Aber im Ernst. Ist das überhaupt noch Wandern, was wir da veranstalten? Ein öder S-Bahn-Steig, dahinter Rangiergleise mit abgestellten Waggons, das Viertel, in das wir uns hineinbegeben wie Tippelbrüder, über weite Strecken eine trostlose Anhäufung von Leere und abgelegtem Malocher-Ruhrgebiet, in dem auch die Wurzeln der Straßenbäume ausgiebig geteert sind. Endlich, dann: ein Stück Graugrün blitzt auf, wir schneiden kurz den Nordrand des Ümminger Sees, in den sich der Oelbach ergießt. Dann hat uns das rauschende Revier wieder. Ein Stück parallel zur A43, kurz vor der Ausfahrt Querenburg, Autos und Laster zischen mit einem Sssieooouuuu! vorbei. Bei Haus Laer, einer alten Wasserburg im Südosten Bochums, gibt es wieder was zu gucken: ein schönes Tor, echte Schmiedekunst, vorm Gemäuer jedoch: Kitsch in Form goldener Löwen und Statuen. Weiter!

„Fliehe weit und schnell”

Weiter in den schmalen Grünzug, den sich Bochumer Hustadt und Ruhr-Universität züchtig vor den Hochbeton gelegt haben. Viel Sturmholz liegt noch herum, Stadtarbeiter machen reinen Tisch, ein Specht, und das da hinten, könnte das nicht ein Habicht sein? Weg fliegt er. Natur, immerhin.

Kurzes Powhow unter Schlenderern: Sollen wir diesen Weg auch wieder zurückgehen nach BO-LA-West? Bis hierher können wir die Strecke nicht zur Nachahmung empfehlen. Uns kommt ein Buchtitel der französischen Krimiautorin Fred Vargas in den Sinn: Fliehe weit und schnell – am besten über Witten Hbf. Aber wir Dussel haben uns hier selbst reingeritten und eine Strecke so in die Pfanne zu hauen? Tz,tz,tz…

Sozialdemokratische Mehrheitsarchitektur in armiertem Beton

Aus dem Grünzug durch die Hustadt auf den Campus der RUB. So viele Bausünden auf einem Haufen sieht man selten und schlimmer kann man sich an Unterkünften für Menschen wohl nicht vergehen: ordinäre Schachtelbauweise aus dem Lego-Baukasten, sozialdemokratische Mehrheitsarchitektur in armiertem Beton. Die Waschbetonplatten vor dem Audi-Max wackeln wie vor 35 Jahren (ja, wir waren auch mal hier, nur kurz), das einzig Aufrührerische, was wir entdecken können, ist ein Plakat des AStA, das den Erhalt  bezahlbarer Studitickets fordert. Aufbruchstimmung wie in den 70ern? Aber ja, in die eigene Karriere: „Wir machen Gründer groß” reklamiert ein Banner. Superman, Batman und Co. werben in schrillen Kostümen für die nächste Studi-Party. Angedenk der völlig humorlosen Linken damals ein sehr gutes Zeichen. Wenigstens feiern können die jungen Leute.

Großes Hallo: „Kommt doch rein!”

Im Botanischen Garten der RUB fühlen wir uns auf Anhieb wohler. Eingezäunte Flora zwar, aber in was für einer Vielfalt. Schon im November erste Blüten der Früh- oder sind es Spätblüher: Duftschneeball und Schwarzer Ginster? Es stehen keine Namen dran wie an den anderen Sträuchern und Bäumen. Einer heißt Malus, hihi, Reverenz an den Numerus Clausus, der früher besser gebildeten Schülern in südlichen Bundesländern mit einem Notendurchschnittsabzug strafte? Den Bonus-Baum haben die Studis wohl schon mitgenommen. Kalauer: Ende und Anmerkung: Ja, ja, ihr Botaniker: Gewächse der Gattung Malus sind Apfelbäume…

Wir lümmeln im Chinesischen Garten rum und kauen mit dicken Backen unsere Kniften und können uns mit dem Drumherum nicht so recht anfreunden. Ganz viel Steine, kaum Grün, Schachtelarchitektur und viel Wasser. Der Chinese liebt es offenbar gern feucht und ungemütlich. So findet man kaum in das Land des Pfirsichblütenquells (Anm. 2: Ihr müsst nicht immer ALLES ernst nehmen).

Walzer tanzende Schwäne auf der Kemnade

Lottental, Kemnade mit Walzer tanzenden Schwänen und putzig tauchenden Gänsesägern, über die Ruhr/Kemnade unterhalb der A43-Brücke, und auf unserem Weg zur Burgruine Hardenstein am gegenüberliegenden Hang rollt aus der Erinnerung ein Ball in die Birne wie eine Lottokugel. In dieser Straße hier müsste doch der liebe Kollege wohnen, von dem in diesem Beitrag im vorletzten Absatz unbekannterweise schon mal die Rede war.

Wir bimmeln durch. Großes Hallo, so eine Überraschung, kommt doch rein! Wir reden über alte Zeiten und auch über die Schatten, die sich urplötzlich drohend über ein Leben legen können. Was sollen wir sagen. Zu viert, mit Hund, gehen wir weiter, reden und reden und die Herzen öffnen sich. Abschied in der Dämmerung und die Einsicht schlendererseits: War doch nicht so schlecht, dieser Tag. Und wir drücken weiter ganz fest die Daumen: alles, alles Gute!

Franz_Michael_klein

 

Die Strecke wurde aufgezeichnet mit der Kompass-App, wegen Fehlerhaftigkeit nachgezeichnet und in KML umgewandelt:[map style=“width: auto; height:400px; margin:20px 0px 20px 0px; border: 1px solid black;“ kml=“https://www.dieschlenderer.de/wp-content/uploads/RUB_Botanik_Witten.kml“]

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