Der deutsche Wein wird besser – und deutlich teurer

Deutlich leerer (die Hallen), deutlich teurer (die Weine). Das sind in knappen Worten die ersten Eindrücke von der ProWein 2023 in Düsseldorf. „Die 10-Euro-Marke für guten Alltagswein ist definitiv geknackt“, sagt auch Carola Eickhoff von Eickhoffs Weindepot & Feinkost.  Zehn Euro für Gutsweine und 15, 16 für Ortsweine waren eher die Regel als die Ausnahme.
Die Hochmesse des internationalen Weins scheint sich noch nicht so recht von den Folgen der Corona-Pandemie erholt zu haben. Die Zurückhaltung des Publikums kann natürlich auch an dem nicht besucherstarken Sonntag gelegen haben; allerdings war vor Corona (49.000 Besucherinnen und Besucher 2023 gegenüber 61.500 in 2019) auch am Wochenende hier mehr los.

Grüner Apfel und Grapefruit

Eine Entdeckung, die wir Thomas Eickhoff verdanken: das Weingut Bimmerle aus der Ortenau. Eine feine Kollektion angefangen vom 2022 Blanc de noir (Birne, florale Aromen*), über den Weißburgunder (viel Schmelz), den Grauburgunder Kabinett, körperreich mit Anisnoten und saftiger Birne) bis hin zum Chardonnay QbA. „Grünen Apfel habe ich in der Nase“, sagt Juniorchef Benedikt Bimmerle, es folgen Blütendüfte und eine bittere Grapefruitnote am Gaumen. Die Weine bauen die Bimmerles nicht ganz trocken aus, um die vier, fünf Gramm Restzucker. „Das macht sie gefälliger und trinkbarer“, sagt Bimmerle.

„Schöner Stinker“

Der Anbau von Chardonnay nimmt zu. Jedes Jahr, so das Deutsche Weininstitut, kommen rund 100 Hektar Anbaufläche hinzu und hatte 2020 einen Anteil von 2,3 Prozent an der Gesamtanbaufläche inne. Spitzenwinzer wie Philipp Kuhn aus der Pfalz arbeiten mit Spontanvergärung wärmer als 30 Grad und produzieren „schöne Stinker“, wie es Mitarbeiter Felix Wagemann ausdrückt. Schwefelige Nase, Petrolton, leicht oxydativer Ausbau in Fässern. Im Mund präsentiert sich der Wein mit überragender Trinkfreudigkeit; zum Reinlegen!

Wieder Chardonnay!

Buttrige Aromen, Mineralik, Heu, Anis im Spektrum hat Holger Kochs Chardonnay (RZ um 2 g, S 6, Alkohol 13%). „Wir bemühen uns intensiv, Frische und Lebendigkeit in den Wein zu bekommen“, sagt seine Frau Gabriele Engesser. Warum Chardonnay? „Der Anbau ist eine Reaktion auf den Klimawandel, die Rebe kommt mit den Temperaturen besser zurecht.“ Der Selectionswein Großes Gewächs duftet nach Melone mit einem intensiven Nachhall am Gaumen, vollmundig bei einem Restzucker unter 2 Gramm. Ein interessantes Experiment von Koch (machen andere Winzer derzeit auch): Als „Bückware“ gießt Engesser eine Faßprobe des ersten Jahrgangs Chardonnay „N“ für Naturwein ein. 100 % Maischevergärung in Fässern, trüb im Glas, Würze, aber auch adstringierende Noten durch den Tanninauszug aus den Schalen, grüne Paprika, drei Jahre liegen lassen? „Würde ich auch sagen“, meint Gabriele Engesser.

Den Burgundern Konkurrenz machen

Weit aus dem Fenster wagt sich Niko Sperl vom Weingut Klumpp, der auf der ProWein einen 2021er Chardonnay (32 Euro) vom Muschelkalk ausschenkt. Spontanvergoren im Barrique, dadurch könne das Terroir besser herausgearbeitet werden, mineralisch, Citrusnoten. „Wir liefern qualitativ total ab“, sagt Sperl und meint: „In den nächsten zehn Jahren werden deutsche Chardonnays den französischen Burgundern anständig Konkurrenz machen.“ Gab es eine solche Entwicklung nicht auch schon vor Jahrzehnten bei den deutschen Pinot noirs?
Absehbar allerdings schon jetzt: Für gute Weine werden wir wohl tiefer in die Tasche greifen müssen.

Weitere Notizen
Weingut Salwey, Kaiserstuhl
21er Weißburgunder Gutswein, apfelig, Heu, Anis, Honig 2,5 RZ, 8,40,-; 20er Weißburgunder Ortswein: Schöne Frucht, Birne, Mango, Ausbau im großen Holzfass (0,8 RZ 15,90,-), 20er Weißburgunder Steingrubenweg GG: mineralisch, Feuerstein, Birne, Quitte, adstringierend am Gaumen (29,40,-).
Hermann Dönnhof, Nahe
Faßprobe 22er Chardonnay/Weißburgunder, sehr birnig, Rauchnoten, RZ 2 g. 22er Riesling vom Tonschiefer, spezifische Mineralität, herbe Limone (13,-)
Hofkeller Würzburg
22er Sauvignon Gutswein (13,5%, RZ 5 g, S 6,1) grüne Aromen, Stachelbeere, weiße Johannisbeere (7,20,-); 22er Silvaner Würzburger Stein 1. Erste Lage (12,5 %, RZ 2 g, S 6,1) verhalten im Duft, mineralische Noten (10,-)
Elena Walch, Südtirol
Rosé 20/26: Cuveé aus Merlot, Spätburgunder und Lagrein, zart pinkfarben, bei 26 Grad vergoren, „im Abgang wie ein frischer, fruchtiger Weißwein“ (Mitarbeiter Heinrich Bergmann); 21er Pinot Grigio, Ausbau teils Stahl, teils Holz, ein Jahr auf der Feinhefe, Vanillenoten, Creme und Schmelz; 21er Pinot Bianco Kristallberg: frischer Apfel, Zitrone im Spektrum, Ausbau im großen Holzfass (20,-); 21er Sauvignon Ringberg: ein wenig grün, Holunder- und Stachelbeere (20,-); 20er Chardonnay Riserva Ringberg: Melone, Honig, buttrig, Brioche, nussig, elf Monate im kleinen Barrique, fein und elegant (um 40,-); 19er Lagrein Ringberg: wuchtige, fruchtige Nase, springt förmlich aus dem Glas, Trockenfrüchte, Marzipan; 19er Kermesse: Cuveé aus Syrah, Petit verdot, Cabernet-Sauvignon, Merlot, Lagrein: hochkonzentriert, komplex, Tannine präsent, 18 bis 19 Monate im Barrique (um 50,-)
Philipp Kuhn
22er Freistil gelber/Goldmuskateller, 11 %, noch grün, Veilchen im Duft, frischer Wein; 22er Blanc de Noir aus 100 % Pinot noir, würzig; 22er Sauvignon Blanc: grüne Paprika, Stachelbeere, adstringierend; 21er Chardonnay Reserve: leichte Schwefelnase, eleganter, komplexer Wein, der Cremigkeit und Salzigkeit mitbringt, unbedingt lagern; 18er Cabernet Franc Reserve, 13,5 %, 24 Monate in Fässern mit Erst- und Zweitbelegung, sehr würzig, schwarze Beeren und Tabak, deutliches Tannin.
*Geschmackseindrücke ohne Gewähr; jeder schmeckt anders.

PS: Falstaff verschenkt 22er-Ausgaben seines Weinführers freigiebig auf der ProWein. Unbrauchbar, weil viele weiße Leerstellen.
PPS:  Negativerlebnis des Tages: Reisen mit der Bahn. Verspätungen schon beim Start, zwischendurch „Zugüberholungen“ und weitere Wartezeiten, vier Stunden von D-Dorf ins Sauerland…

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*
Website