Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Dass man nur zwei Tage später am selben Ort aufschlägt, muss man dem Zufall zuschreiben. Nach einer beruflichen Exkursion stehe ich nun mit Franz und Markus an den Oeseteichen in Menden. Gottseidank ist das Wetter besser und der Geruch der früheren Klärteiche erträglicher.
Ende 2017 waren die Teiche und die umliegenden Oeseauen von der Stadt zu einer wertvollen Biotopstruktur aufgewertet worden und sind seitdem ein Paradies vor allem für die Vogelwelt. Franz weiß das als Naturfotograf sehr zu schätzen, und die Avifauna ist auch an diesem Morgen vielfältig vertreten. Knäkenten, Teich- und Blässhühner, eine Rostgans, ein Flussregenpfeiferpaar, Reiherenten, die nach Schnecken tauchen, sie komplett schlucken und in ihrem muskulösen Magen einfach zerdrücken.
Käferholz noch auf dem Wurzelstock
Aber wir wollen laufen und verschwinden nach einer Umrundung der Teiche nach rechts ins Unterholz, hoch Richtung Hemer. Ein schmaler, wurzeldurchsetzter Pfad führt in alte Baumbestände, krumme Eichen, Lärchen und auch Kalamitätsholz steht noch auf dem Wurzelstock. Das würde Gerald bestimmt gefallen: vom Borkenkäfer zerfressene Stämme einfach im Geplente liegen lassen. Der frühere WR-Kollege hatte mir nach einem Bericht über den verheerenden Anblick rund um den entwaldeten Homertturm bei Lüdenscheid leise unterstellt, den radikalen Kahlschlag als alternativlos darzustellen und mir eine Broschüre des BUND NRW zugeleitet.
Der Wald regeneriert sich
Beileibe ist der Kahlschlag nicht alternativlos! Gelungene Experimente mit einem sich selbst überlassenen Wald gab es bereits nach 1983 (Orkanschäden) und den nachfolgenden Borkenkäferwellen im Bayerischen Wald. Das Kalamitätsholz im Nationalpark blieb liegen, gegen die heftigen Proteste aus der Bevölkerung, aber der Wald regenerierte sich von selbst zu einem gesunden Organismus.
Leider, leider ist der deutsche Wald trotz der anhaltenden Romantisierungsversuche heute eine Wirtschaftsfläche, hinter der Verwertungsinteressen stehen, und Käferholz schonend mit Rückepferden zu bergen, wie es der BUND vorschlägt, scheitert a) an der Zeit und b) an der mangelnden Zahl verfügbarer Kaltblüter. Der Satz eines Biologen, mit dem ich zu einer Fauna-Kartierung unterwegs war und der hoffnungsfroh einem baldigen Übergangswald entgegensieht, mag die derzeitige Situation gut einordnen: „Der Borkenkäfer hat nicht den Wald kaputt gemacht, sondern die deutsche Forstindustrie.“
Lichte Pfade und Panzerstraßen
Wir lustwandeln indessen über wunderschöne lichte Pfade durch krautiges Unterholz und niedrige Birkenhaine, wanderkulinarisch gesehen ein Gusto-Stückerl. Und ein scharfer Kontrast zu den breiten Beton- und Asphaltstrecken des ehemaligen Truppenübungsplatzes in Hemer, auf denen wir auftauchen. Ist nicht alles bio hier, aber Panzerfurchen sorgen für kleinere Biotope, auf dem großen weiden Heckrinder und Dülmener Pferde.
Moralische Untiefen im Felsenmeer
Eine Runde im nahen Felsenmeer liegt nahe, und über langen Diskussionen über die Lage des Landes (Bildung, Teilhabe, gerechte Gesellschaft, importierter Antisemitismus, ausnahmsweise mal nicht Covid, Franziska Giffey) verlieren wir uns fast in moralischen Untiefen, steil wie die Klippen hier. Darf man Giffeys Rücktritt wegen ihrer Schummelei bei ihrer Doktorarbeit bedauern und als unnötig erachten, es aber gut finden, dass der Freiherr zu Guttenberg seinerzeit seinen Helm als Verteidigungsminister wegen der gleichen Verfehlung nehmen musste? Ist es angemessen, wegen eines Fehltritts als Ministerin zurücktreten, um sich umgehend für das Amt der Oberbürgermeisterin von Deutschlands Hauptstadt zu bewerben? Diese Volte zeigt zumindest eins: für den Job ist Giffey abgebrüht genug. Das Problem unserer Gesellschaft ist, dass nicht nur den politischen Akteuren immer wieder der Anstand abhanden kommt, sondern auch Teilen der Bevölkerung.
Aber gut: Zurück zu den Oeseteichen geraten auch wir auf Irrwege, Kartenwart Franz hat kurzzeitig die Peilung verloren; immerhin finden wir wieder auf den rechten Weg zurück.