Sauer/Schauer/Land

Von Franz (Fotografie) und Michael (Text) – Ha! der erste Novemberscheißwettertag und ausgerechnet den erwischen wir auf unserer Wanderung im Esloher Sauerland. Eigentlich wollten wir uns nur ein wenig die Füße vertreten vor unserem Besuch im dortigen Museum, aber…

dann hing über Bremke diese dunkle, drohende Wand, die sich umstandslos in weiße, jagende Schauer auflöste, die hinter uns Schlenderern herjagten. Hätten wir uns vorher in der Reister Kirche irgendeinen Segen holen sollen, von Petrus etwa? Wir machen’s wie et Vieh im Sauerland bei Schlechtwetter: Hintern in den Wind halten, Kopf einziehen und – da sind wir den Kühen voraus – Regenzeugs überwerfen. Denn es gibt diese Momente, in denen das geliebte Sauerland seinen Liebreiz abwirft wie ein ertappter Krimineller die lästig gewordene Maske des Biedermannes und dich mit wellengleichen Schauern über die Höhen und in die weiten Täler jagt, der Untergrund schnalzt einfach nur dazu. Katharsis, Buße, Reinigung vor dem Abschied von Liebgewonnenen/m? Mhhhm…

„Beton raus, jetzt geht es der Eiche wieder gut”

In einem Unterstand oberhalb von Kirchilpe wettern wir eine Weile das Plästern ab und buttern. Schnucki haben wir auch mit, Lebkuchen von dem wohlbeleumdeten Bäcker Schmidt aus Nürnberg (in Dortmund gibt’s im Eiscafé Dolc é vita ein Outlet, sogenannter Bruch zu sehr günstigen Kursen). Advent, oh Mist, ist auch nicht mehr weit hin.

Am Bildstock vor Kirchilpe vorbei laufen wir im nervenden Schlagregen durch den Ort zur Antoniuseiche, die außerhalb (leider) an der Böschung einer langen Straße liegt. Welch eine Erscheinung, gedrungen und trotzig, 1000 Jahre altes Holz! Ihr Wurzelstock misst zur Straße hin vier Meter, wie dick das Teil ist, steht leider nirgendwo. Überraschung: Von hinten ist der Stamm hohl, ich passe nicht durch den schmalen Riss, Franz schon (hochbeiniger Storch).

Vorbei an blühenden Landschaften. Senf?

Ein Landwirt, den wir später an seinem Hof passieren, erzählt uns ein paar Dinge. Die Eiche war kürzlich erst im Fernsehen, das Innere war 1960 betoniert und zugemauert. Die Betonplombe hat man später wieder entfernt. „Heute geht es der Eiche wieder gut”, sagt er und wundert sich: „Wenn man hinten dreinschaut.” Weiter durch mildtätigeren Niesel, vorbei an blühenden Landschaften (Senf? Leguminosen oder so?), verhauen, sch… Wegführung, eine Mauslochalm hoch, zurück nach Reiste, Südwestes abwerfen, ab nach Eslohe für einen Schweinsgalopp durch ein sehenswertes Dampf/Land/Leute-Museum.

„Seltsam war der Museumsgründer schon”

Zu kurz, zu kurz, obwohl die sehr herzliche Mitarbeiterin Anne Keufgens uns ein Viertelstündchen mehr zu gucken schon bereitwillig eingeräumt hat. Mann, das ist ein Heimatmuseum, und ich sage das als einer, der von hier wech ist. Zu verdanken ist das Museum Eberhard Koenig, der an diesem Ort eine Schmieden- und Kettenfabrik aufbaute und seine Sammelleidenschaft an technischem Zeugs zu Lebzeiten in eine Stiftung überführte. „Seltsam war er schon”, sagt Anne Keufgens, „er hat zeitlebens bei seiner Mutter gelebt.” (Anm.: Welche*r moderne Student*innen macht das heute nicht? Aufmerksame Zeitgenossen werden vermerken, dass wir in unserer Rechtschreibung den derzeit von den Grünen geforderten Gender-Stern verwendet haben, um mal zu zeigen, wohin geschlechtergerechte Sprache führen kann).

Bollerwagen, Windfegen, Kartoffelquetschen

Aber was ist in Eslohe nicht alles versammelt! Angefangen von der faszinierendsten Sammlung kleiner (Spiel-)Dampfmaschinen: Werden die auch an den großen, zwei Mal im Jahr stattfindenden Dampftagen des Museums Ende Mai und Ende September angeheizt? Nur mal so gefragt. Hier stehen historische Maschinen, angetrieben von Dampf, Kraftstoff oder Elektrizität, alte Geräte aus der Landwirtschaft und handwerklichen Berufen. Bollerwagen, Windfegen, mit denen das gedroschene Korn gereinigt wurde, heute urtümlich anmutende Roder, hinter solchen ich einst selbst noch Kartoffeln klaubte, eine Kartoffelquetsche für den „Schweinetrog”, Gabelwender für die Heuernte, Schmiedeessen und -hämmer, denn das Sauerland blickt auf eine große Tradition als eisenverarbeitende Region. Punkt. Luftholen.

Ein Ort, an dem die Augen glänzen

Eine Büste des Fretteraner Pfarrers Johannes Dornseiffer erinnert an den Gründer der ersten landwirtschaftlichen Winterschule Westfalens (ab 1880 in Fretter, später in Eslohe). Antwort finde ich auf die Frage. was eigentlich mein Großvater (93) gearbeitet hat. Er war Stellmacher, auf der Galerie des Museums wird an alte Handwerksberufe erinnert, und was herstellte, waren Holzräder mit Eisenbeschlag. Wir könnten noch endlos weiter aufzählen, schließen aber mit Hinweis auf eine sehenswerte Fotoserie von Barbara und Toni Anneser. „Der Mensch im Sauerland” zeigt genau die Menschen, die früher dem rauen Land mit den gezeigten Werkzeugen und Maschinen ihren Unterhalt abrangen.

„Dampf/Land/Leute” ist ein Ort, den mit glänzenden Augen wieder verlässt, und es braucht dazu keine Regenschauer.

Franz_Michael_klein

Die Strecke wurde nachgezeichnet mit dem Tourenplaner von  outdooractive:

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