Es is Herbscht, an der Möhne und in der Politik

Von Franz (Fotos) und Michael (Text) Zwo Grad, Loide! Morgens neigt sich das Thermometer stark dem Bodenfrost zu, also im Sauerland. Dennoch erwischen wir am (1. Oktober*) am Möhnesee einen wunderschönen Sonnentag.
Das Restaurant Torhaus ist abgeriegelt, Baustelle, altes Reet hängt zauselig in Fetzen herunter. Das Dach des Torhauses wird neu gedeckt. Im Skulpturengarten steht allerlei Kunst herum, darunter bunte Hühner mit extrem dünnen und langen Beinen. Ein paar Schritte weiter macht Franz eine große Walze in Schwung, Geklimper erklingt. „Wir sind auf dem Klangpfad“, sagt er. Die Tour, die er ausgefuchst hat, ist schon zu Beginn sehr schön. Wir schlendern zwischen mächtigen Eichen- und Buchenstämmen, erleuchtet von mildem Licht. Jo, es is Herbscht. Oder wie Franz, angesichts der glitzernden Spinnweben am Wegesrand meint: „Altweibersommer“.

„Ein Blitz im Herz der Finsternis“

Franz hat mir Bücher mitgebracht. Gaea Schoeters „Trophäe“, „ein Blitz im Herzen der Finsternis“, wie der Schriftsteller Robert Menasse auf dem Umschlag meint. Ein Großwildjäger bekommt von seinem Freund ein Nashorn zum legalen Abschuss geschenkt, um sein Projekt der Big Five zu vollenden. Doch Wilderer kommen ihm zuvor. Danach ist die Jagd auf die Big Six eröffnet. Beute: ein Mensch. Auf das zweite bin ich besonders gespannt. „Steinhammerstraße“ von Jörg Thadeusz. Zum einen, weil die Steinhammerstraße in Lütgendortmund liegt, wo ich mehr als 30 Jahre lang gelebt habe; zum anderen, weil ich den Autor sehr schätze, als Moderator und Journalist. „Der Talk“ ist ein letzter Grund, abends WDR2 einzuschalten, wenn Thadeusz mit Politikern und Prominenten tiefgründige Gespräche führt. Dieses Format ist echter Rundfunkjournalismus und meilenweit entfernt von den Plappersendungen am Morgen, Marktschreierbuden mit angegliedertem Sendebetrieb. Also: Bims gespannt.

Differenz zwischen Stadt und Land

Als ehemaliger Dortmunder bin ich natürlich dem BVB immer noch verbunden. Einmal Borusse, immer Borusse. Mit der Stadt kann man sich aber kaum mehr identifizieren. Möglicherweise macht es der Abstand und die sichtbare und einem bewusste Differenz zwischen Land und Großstadt, aber Dortmund ist abgeranzt, tut mir Leid. Möglicherweise ist auch die Abwahl des roten Oberbürgermeisters Thomas Westphal genau ein Indiz bzw. eine Folge dieser Entwicklung.

Ein tödlicher Infarkt

Armutsmigration, soziale Brennpunkte, Drogenabhängige auf den Straßen, Verödung der Innenstadt, Kriminalität, ein Strauß an Ursachen führte letztlich, so eine Forsa-Umfrage, zu dem 27. September 2025, dem Tag, an dem die Herzkammer der Sozialdemokratie einen tödlichen Infarkt erlitt. Seit 1946 stellt die SPD, teils mit satten Mehrheiten, das Stadtoberhaupt. Ein vergleichsweise unbekannter CDU-Kandidat, Alexander Kalouti, wirft Westphal in der Stichwahl aus dem Rennen. Man kann nur hoffen, dass die Sozialdemokraten diese auch bundesweite Entwicklung sorgfältig reflektieren.

Der beste aller Aussichtstürme

Aber zurück zur Möhne. Auf den Turm müssen wir natürlich rauf. „Es gibt viele Aussichtstürme, die keinen Sinn haben; aber der Möhneseeturm hat einen“, meint Franz, unser Experte für Optik und großartige Panoramen. Oben sind es 360 Grad, alle Himmelsrichtungen lassen sich bis an den Horizont verfolgen.
Am Fuße des Turms haben sich 50-60 Kinder mit Lehrern im Kreis um eine große runde Fallschirmseide versammelt. Fünftklässler des Neheimer St.-Ursula-Gymnasiums, die hier Teambuilding machen. Es ist berührend zu sehen, wie emphatisch sich die Lehrerinnen und Lehrer um die neuen Kinder bemühen. Zusammenhalt zu üben, anstatt sie stumpf in Klassen zu stecken.

Nussige Aromen

Auf unseren weiteren Kilometern umwehen uns die Düfte des Herbstes, nussige Aromen im trockenen Laubwald, grasige Töne, wo gerade entlang des Weges gemulcht wurde, und von oben wärmt die Sonne. An der Heve stoßen wir auf einen tollen Rastplatz, der eigentlich ein Kinderspielplatz ist. Wir picknicken am Hochtisch und auf Hochbänken, lassen Beine und Seele baumeln. Und im Hintergrund murmelt die Heve.
*Unsere Seite hatte mehrere Wochen technische Probleme, jetzt sind wird wieder da.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*
Website