Happening vorm Gipfel

Von Dorothe (Fotos) und Michael (Text) – Es kann einem einiges unerwartet in die Tourplanung semmeln. Aber ausgerechnet ein Kunst-Happening in den Bergen? Als wir unser Auto auf 1518 Meter Höhe am Gampenpass, dem Einstieg zur Strecke auf den Laugen (2434 m) abstellen wollen, ist das Sinstruct-Festival, eine etwas undurchsichtige Gemengelage aus Kunst, Esotherik und Clubbing, schon da. Bzw. die Automobile der Besucher und Veranstalter.

Langhaarige Teenies und Twens, schöne junge Menschen übrigens, wandeln am frühen Morgen aus einer Zeltstadt neben dem Pass derangiert und schlaftrunken über die Straße in das gegenüberliegende Gasthaus. Neue Hippies, oder gar ein „Drogencamp”, wie unsere Tochter mutmaßt? Wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob aus ihrer Bemerkung eher Abscheu oder Neugier sprach. Nur eines ist klar: Dieses „temporäre Mikrouniversum für Sound, Vision und Interaktion” nahe der Gemeinde Unsere liebe Frau im Walde verdrängt die reale Wanderwelt, bzw. deren Begeher. Wir beugen uns dem Parkdruck und suchen uns notgedrungen in dem „Ensemble mystischer Wälder, blumenübersäter Wiesen und kleiner Bergseen” (Sinstruct-O-Ton) einen anderen Weg auf den Laugen.

„Geht’s langsam los, ganz langsam”

Also statt über die Diretissima, den Steig 133, über den Umweg Gfrillner-Alm (Weg 10A, dann 10) und unter dem Kleinen Laugen her zunächst zum Laugensee. Unser Bergkenner Erwin vom Berggasthof Oberöberst hatte uns gemahnt: „Geht’s langsam los, ganz langsam. Der Steig ist gleich am Anfang sehr steil.” Ironischerweise steht unsere Ausweichroute dem zunächst kaum nach. Zum ersten Mal sind wir einem Waldbesitzer dankbar, der an den extremsten Steigungen Betonprofile in den Hang zementiert hatte. Sie bieten nicht nur Geländewagen – im übrigen unglaublich, dass man so steile Hänge hochfahren kann -, sondern auch Stiefelprofilen den nötigen Halt.

Hühnerleiter für Bergsteiger

An der Alm, sein Bewirtschafter sieht missmutig den drei einsamen Wanderern hinterher, biegen wir auf den Steig 10 ein, dessen Markierungen nur noch verwaschen und schlecht zu entdecken sind. Es ist ein rauer Jagasteig, der durch wettergebeugte Latschen und unwirtliches Blockgelände, vorbei an einem alten Schneefeld, zum Laugensee hochführt. Wir knabbern Kekse und gehen die restlichen Höhenmeter an. Seile und gestufte Baumstämme, eine Art Hühnerleiter für Bergsteiger, erleichtern den Aufstieg. Der Gipfel ist an diesem Tag von Menschen überlaufen, kalt und stinkt vor Ziegenkot, die Sicht durch Wolken schlecht. Abstieg? Yo! Nichts wie runter.

Twen mit Jutetasche und Turnschuhen

Unten am Laugensee tauchen nach Mittag die ersten Festivalteilnehmer auf, in Turnschuhen statt Bergstiefeln, ein Twen mit Jutetasche statt Rucksack, die meisten ohne berggerechte Ausrüstung. Respekt! Aber wie sagte Erwin: Es geht gleich sehr steil los. Gilt natürlich auch für den Rückweg, und mit den biegsamen Dingern an den Füßen musst Du über feuchten Lehm, rutschige Steine und hakelige Wurzeln absteigen. Unten am Weg schlendern wir kurz durch die Festival-Zeltstadt und fragen zwei freundliche Twens nach dem Grund ihres Hierseins. Antwort: Sinstruct, iss’n Musik-Kunst-Crossover-Festival. Eine junge Frau pflückt mit verklärtem Blick Blumen. „Guckt mal, sind die nicht schön weiß?”

Sinstruct muss ne mächtige Wirkung haben und kann offenbar auch die Farbwahrnehmung verschieben. Wir bewundern den gelben Strauß in ihrer Hand und machen uns aus dem Staub respektive wir schlampen 1,5 Kilometer den Pass hinunter zu unserem Auto, das im temporären Mikrouniversum von Sinstruct keinen Parkplatz mehr bekam.
Wanderkarte: Kompass Nr. 052, Ultental
Doro_80x80 Michael_Autor

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