Ein Traumstrand

Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Es ist dieses Licht, so weich, so samten. Es hat etwas Mitfühlendes, Tröstendes. Als ob die Mitternachtssonne über dem Polarkreis die Norweger ausgiebig für dunkle Winterstunden entschädigen wollte. Der Vorteil für uns Schlenderer: Wir könnten, wenn wir wollten, auf den Lofoten sogar nachts bei Tageslicht wandern.

Die Vorliebe für raue, dramatische Landschaften sowie eine verwandtschaftliche Beziehung hat uns auf die norwegische Inselgruppe verschlagen. Cousin Benno näht als Chirurg seit fast 20 Jahren Norrlänner wieder zusammen oder schraubt ihnen neue Hüften ein. Praktischerweise liegt vor seinem Haus am Nappstraumen, direkt am Meer, eine klassische, falunrote Rorbu (aka Fischerhütte), die sein Sohn Carl vermarktet (Skottinden Rorbu). Apropos: Wer die Lofoten RICHTIG kennenlernen will, ist bei Carl an der richtigen Adresse. Der studierte Outdoorguide hat und kann alles, was das Herz begehrt: Segeltörns, Lachs- und Dorschfischen, Bergtouren, Tauchen (gelegentlich mit Orca-Begleitung), Surfen an den angesagten Lofotenstränden.

Der Anblick haut einen um

Eine dieser Locations, die Kvalvika-Bucht auf der Insel Moskenesøya, steuern wir als erstes Ziel an. Achtung, Spoiler: Der Anblick haut einen, wie auch die Lofoten überhaupt, förmlich um. Türkisfarbene Brandung mit zahnpastaweißen Gischtkronen, eingekeilt zwischen Granitwänden, läuft den feinen Sandstrand hoch, definitiv Hawaii-Qualität, nur nicht so warm;-))

Wer diese Attraktion sehen will, muss laufen. Hinter Fredvang führt ein schmaler, morastiger Pfad den Ryten (540 Meter) hoch. Schnepfen mit langen, gebogenen Schnäbeln fliegen aus dem Marschland auf. Ab und zu überbrücken Holzstege den aufgeweichten, sumpfigen Boden, leider nicht immer. Weil sich deshalb Umgehungsstraßen bilden, klagt Kulturpessimist Franz alsbald: „So viele Wanderer, bald führt eine Autobahn den Ryten hoch.“ Mmmh.

Gummistiefel mit Steigeisen

Unterhalb des Gipfels tauchen wir in die Wolken ein. Dichter Dunst, ekliger Regen, der von einer Westströmung gespeist wird. Weitergehen und nichts sehen? Wir steigen runter zur Kvalvika-Bucht. Auf dem Sattel oberhalb der Bucht knietiefer Morast. Die Wahl des Schuhwerks will wohlbedacht sein. Gummistiefel mit Steigeisen wären eine Alternative zu festen Wanderstiefeln, denn der Steig hinunter an den Strand ist definitiv eine hakelige Sache: greasy, slippery, wet und steil obendrein.

Himmel, Meer und Licht ändern sich

Unten wird man nahezu magnetisch an die Brandung gezogen. Einmal in diese glasklaren Wellen tauchen! Ein paar junge Spanier (4 ♂ und 2 ♀) machen das, ziehen blank und stürzen sich ins Wasser. Ganz kurz nur, brrrr. Auch wir wagen uns an den Spülsaum, müssen aber aufpassen: Manche Welle leckt gierig nach unseren verschmutzten Wanderstiefeln. Rückzug, aber dalli! Hier, auf einem Felsblock am Strand, könntest Du ewig der immerzu anrollenden Brandung zuschauen. Ruhe zieht in dir ein, weil und während sich Himmel, Meer und Licht um dich herum ständig ändern. „Du kannst jede Sekunde ein anderes Bild machen“, frohlockt Franz.

Die Luft riecht jodig, Nase um Nase ziehen wir uns das salzige Aerosol in die Lungen. Über uns ragt, nebelumkrönt und abweisend, der Steilabbruch des Ryten auf. Er hätte uns an diesem Tag keinen Blick auf Kvalvika gegönnt.

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