
Hach! Und dieser Seufzer kommt von tiefstem Herzen. Was ist das doch für ein wunderbarer Platz, ein Kraftort. Die Rede ist von Eickhoffs Landgasthof, den es in dieser Form bedauernswerter Weise nicht mehr gibt. Aber die wunderbare Terrasse ist noch da, auf der wir uns an diesem lauen Abend eingefunden haben, um eine Reihe von badischen Gutedel-Weinen zu probieren. Spoiler: Ihr Leserinnen und Leser dürft also nur gucken, nachvollziehen nicht.
Anja, Lore, Armin, Peter, Philipp, Uli und ich sind uns dieses Privilegs bewusst, noch einmal Gast von Carola und Thomas Eickhoff zu sein. Hat unter anderem den Vorteil, dass es neben dem Trinken auch etwas zu essen gibt,-) – gutes Brot, Butter, Olivenöl, mit Limone marinierter Lachs, Prosciutto und mit Birne und Kartoffel fein abgeschmeckter Heringssalat.
„Schon gefährlich”
Der Gutedel ist im Markgräfler Land, was dem Sauerländer sein Bier: Grundnahrungsmittel. Häufigste Erscheinungsform in Straußwirtschaften und Gasthöfen ist der Fasswein, und wenn er mit Restsüße getunt ist, ist Vorsicht angesagt. Bedenkenlos kann man aber zusprechen bei den Weinen von Hermann Dörflinger aus Müllheim, der als unangefochtener Botschafter des Gutedels gilt. Leicht, elegant mit zarten Fruchtaromen und durchgegoren: Dafür steht der Name Dörflinger seit Jahrzehnten. Aufgehübschte Weine wird man bei ihm nie bekommen. Ein 2022er und 2023er Reggenhag – als Jahrgangsvergleich – bilden den Auftakt. Ein Hauch Mirabelle, ein Hauch Melone, am Gaumen mineralisch (2022), spritziger und kreidiger der 2023er mit 0,4 Restzucker. „Unkomplizierte Frische“, meint Philipp, und hat damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Der 2023er Gutedel Ortswein von Lämmlin-Schindler ist fruchtbetonter und moussierender und als Zechwein „schon gefährlich“ (Philipp).
Weine mit Ecken und Kanten
Die Gutedel von Hans-Peter Ziereisen aus Efringen-Kirchen nehmen, wie auch der Ausbau seiner anderen Rebsorten, eine Sonderstellung ein. Ziereisen macht Weine mit Ecken und Kanten, man muss sich daran reiben und wenn es funkt, fliegt man in andere Geschmacksdimensionen. Der 2022er Heugumber liegt länger auf dem Hefelager, eine hefige Nase und Petrolnoten zeugen davon. „Für einen Gutedel eher uncharakteristisch“, sagt Thomas. Voll aus der Rolle fällt der Rote Gutedel, eine wenig ausgebaute Spezialität, adstringierend und mit starkem Quitteton.
Ein komplexer Gutedel
Beim 2022er Viviser von Ziereisen werden schlagartig Rezepte gesucht. Was, Fisch, gegrillte Riesengarnelen, Risotto? Saftig im Maul, kräuterige Noten, Brioche, Vanille, Honig, ein komplexer Gutedel. In der gleichen Liga spielen die Chasselas-Réserve-Jahrgänge 2022 und 2023 von Lämmlin-Schindler. Apfelaromen steigen auf aus dem Glas, Vanille, im Mund cremiger Schmelz, der jüngere Jahrgang noch nicht ganz rund. Zum vorläufigen Schluss steigt Ziereisens Steinkrügle unfiltriert in den Ring: Duft nach Hefe, Brioche, im Mund animierende Säure mit Zitrusnoten.
Wiedereröffnung, sofort!
„Ein außergewöhnliches Spektrum“, resümiert Armin die Gutedelprobe, ein Ergebnis, das man von einer unkomplizierten Rebsorte wie dem Gutedel nicht erwartet hätte. Schwärze sinkt zum Schluss herab und zwingt das letzte Licht unter den Horizont, Sichelmond und Jupiter blinken von oben, ein perfekter Weinabend in guter Gesellschaft. Mann, Eickhoffs, könnt ihr den Laden nicht wieder aufmachen?
Info: Wer im Sauerland wohnt, kann jeden Freitag/Samstag nach Vorbestellung frischen Fisch, kleine Gerichte, dies, das, was man für ein gutes Essen braucht, und eine Auswahl sehr guter Weine bei Eickhoffs Weindepot & Feinkost bekommen. Hier die Adresse zur Aufnahme in den Verteiler:
Gutedel aus der Probe bestellt man hier:
Weingut Dörflinger
Lämmlin-Schindler (der Rosé-Sekt ist mega!)
Hans-Peter Ziereisen
- Außerhewöhnlich in der Probe: der Rote Gutedel von Ziereisen (vorne).
- Thomas Eickhoff
- Blick von der Terrasse.
- In guter Gesellschaft schmeckt Wein besonders gut.
- Drei Weingüter, drei Interpretationen von Gutedel.
- Mega, diese Aussicht…
- …wenn das Licht schwindet.
Mensch Michael, wenn ich deine Zeilen über die Gutedel-Verkostung genüsslich lese, möchte ich am liebsten die Nase schnuppernd in ein Weinglas stecken und anschließend einen Schluck intensiv unterm Gaumen zirkulieren lassen. Lesen und genießen, als wäre man dabei gewesen.