Von Dorothe und Michael (Text & Fotos) – Auf der Schöne-Aussicht-Hütte im Schnalstal, Südtirol, waren wir schon einmal (nachzulesen hier). Damit wäre die Geschichte schon am Ende, wenn nicht zwei zähe Mädels noch weiter auf die Grawand hoch gestiegen wären.
Ich (Mann & Vater) bin dann mal in Camp 1 geblieben, bzw. wieder nach Kurzras runter. Der Akku müsste dringend mal zur Generalüberholung; schon nach kurzer Zeit leer, wie über einen Widerstand kurzentladen. Kann doch nicht normal sein.
Plan und gefügig gemacht
Die Grawand ragt wie ein dunkler, unbehauener Klotz neben der Schöne-Aussicht-Hütte empor. Was ihr die Anmutung eines Berges nimmt: Überall im Gelände wuseln Arbeiter, ziehen Baggerzähne noch eine Abfahrt für die Skifahrer in den Hang. Der Berg als Baugrundstück und Industriegelände, plan und gefügig gemacht für den Skizirkus. Was hier geschaffen wird, stimmt nachdenklich. Fahrstraßen führen bis hinauf zur Hütte, der Berg wird nicht mehr erstiegen, er wird erfahren. Wird es bald Adventure-Bus-Touren hinauf geben?
Elendig steil
Bis zum Grawand-Gipfel sind es noch gut 400 Höhenmeter. Hinter der Gute-Aussicht-Hütte runter, dann in Serpentinen graue Schutthügel hoch. Die Bilder von Kabelrollen, Bauarbeitern, Pistenraupen, Schneekanonen und Skilift-Stationen begleiten uns auf dem Weg nach oben. Beim Blick zurück hockt die Gute-Aussicht-Hütte wie eine kleine Festung auf dem Fels, dahinter erhebt sich Im hinteren Eis mit 3269 Metern Höhe. Von dort oben hat man einen grandiosen Blick auf die Weißkugel und den Gletscher, der an ihr herunterfließt.
Die letzten Höhenmeter zur Grawand haben es in sich. Elendig steil. Für einen Stimmungstupfer sorgt ein Ehepaar, das vom Gipfel herunterkommt. „Toll, so sportlich!“, lobt es und drückt uns zu unserer Verwunderung seine zwei Rückfahrkarten für die Gipfelbahn in die Hand. Runter für umme! Großes Dankeschön, denn eine Karte kostet 18 Euro!
Kunst und Kommerz auf dem Gipfel
Oben: Ein Hotel, die Gipfelbahn-Bergstation, Kunst und Kommerz. Am höchsten Punkt haben die Schnalstaler in diesem Sommer die Aussichtsplattform Iceman-Ötzi-Peak errichtet, mit Blick auf den Similaun, nachdem die Eismumie zunächst ihren Namen erhalten hatte: Similaun-Man. Dabei liegt der Fundort des Ötzis mit dem Hauslabjoch klar näher an der Finailspitze (um hier mal klugzuscheißen). Sehr schön der Blick auf den Grat des Fineiljochs, über den man vom Vernagt-Stausee über die Finailhöfe auf die Grawand steigen kann, mahnend der Blick auf den schwindenden Hochjochferner.
„An sich ein trister Ort”
Dass so viel Brimborium auf einem Berg auf Kritik stößt, liegt auf der Hand. In der Internetausgabe der Südtiroler Zeitung Salto findet sich dazu ein bissiger Kommentar eines Lesers: „Nur, die Grawandspitze ist an sich ein sehr trister Ort. Kein vernünftiger Mensch würde sich freiwillig dorthin begeben, um sodann die sommerliche Aussicht auf graue Moränenrücken, tauenden Permafrost und mit Plastikplanen abgedeckte Skipistenreste zu genießen. Insofern besitzt diese Konstruktion auch eine in sich geschlossene Logik, denn sie gibt dem visionslosen Auge des Tagestouristen einen Anhaltspunkt, spendet ihm Raum für seine sozialmediatisch-fotografische Selbstinszenierung.“
Runter: sechs Minuten
Damit nicht genug. Der isländische Künstler Olafur Eliasson hat auf einem 410 Meter langen Grat eine „Meditation über die Zeit, die Umwelt, den Klimawandel“ realisiert. Uns versperrt ein schangeliger Bauzaun den Weg durch neun Tore, fünf Eiszeiten, 2,4 Milliarden Jahre Klimageschichte und zu der Sphäre am Ende des Grates. Eröffnung erst am 23.September.
Also nichts wie weg, und das geht mit der Gipfelseilbahn sehr schnell. Rund 1200 Höhenmeter rauf: Stunden. Runter: sechs Minuten.
Das war mehr Abenteuer als Ferien, schon eine Überraschung für mich!
Einwandfrei gelungen 👍