Kreuz und quer durchs Felsenmeer

Von Michael (Text) und Franz (Fotografie) – Man kann unsere heutige Wandertour knapp so beschreiben: ab Heinrichshöhle in Hemer kreuz und quer durch das Felsenmeer, über Deilinghofen zum Ostenberg und wieder zurück. Fertig! Aber wir sind ja bekannt für ausgreifendes Schwafeln und ausufernden Schritt und gehen wieder auf Start zurück.

Nur gucken! ist manchmal zu langweilig.* Rudi Assauer und Simone Thomalla haben das einmal in einem köstlichen TV-Werbespot auf die Unerreichbarkeit (s)eines kalten Bieres und die attraktiven Linien einer Frau übertragen. Wir stehen im geologisch hochinteressanten Felsenmeer, neben den Bruchhauser Steinen das einzige Nationale Geotop im Sauerland, und bestaunen die Haufen bizarrer Steine und möchten nur zu gerne dies: rumschnüffeln, erkunden, klettern, mithin: anpacken. Leider verboten, und das aus diesem nachvollziehbaren Grund: Er könnte abseits der offiziellen Wege unter deinen Füßen wegsacken. Ist sogar vor etlichen Jahren passiert, eine Pinge unter einem wild angelegten Trampelpfad ist 13 Meter tief eingebrochen, so steht es auf einer der Info-Tafeln. Das ganze Felsenmeer ist sozusagen ein hochmittelalterliches „Bergschadensgebiet”. Vor vielen Jahrhunderten wurde in dieser Ecke nach Eisenstein, Brauneisenerz und Grün-Bleierz gesucht und der Boden ausgiebig unterhöhlt.

Die Sage von Zwergenkönig Alberich

Viel besser als die bergmännische Herleitung gefällt uns aber die Erklärung, dass Zwerge an der Entstehung dieser 600 Meter langen und 200 Meter breiten, zerklüfteten Landschaft schuld sein sollen. Zwergenkönig Alberich und seine Minis schürften Gold, Edelsteine und andere wertvolle Metalle. Als die benachbarten Riesen das spitzkriegten, rückten sie den Zwergen auf den Pelz. Diese verkrochen sich in den weitverzweigten unterirdischen Höhlengängen und Alberich ließ durch einen Zauberspruch die Decke einstürzen, als die Riesen in die große Felsenhalle kamen. Selbst wir könnten nicht besser fabulieren! Die Geschichte geht sogar noch weiter: Angeblich verschüttete Alberich auch die aufgehäuften Schätze und muss heute als Pathologie-Assistentin verkleidet in einer Tatort-Serie im nahen Münster seine Brötchen verdienen. Weil wir das Portal für grundehrliche Wanderberichterstattung sind, sage ich jetzt hier: stimmt alles, ich schwör!**

 Eine einzigartige Karstlandschaft

Verlassen wir sagenhaften Boden und widmen uns wieder dem Felsenmeer. Vor 385 Millionen Jahren dümpelte hier tropisch heiß das Devonmeer und darin stand, vom heutigen Wuppertal bis in Hönnetal, ein riesiges Riff. Später wurde der trockengelegte Massenkalkzug durch Kohlensäure unregelmäßig ausgewaschen und es entstand im späteren Hemer eine einzigartige Karstlandschaft, die mit zahlreichen Höhlen im Untergrund verbunden ist (so ungefähre Erklärung). Heute trifft man im Felsenmeer auf einen in Geologenkreisen nicht unumstrittenen, weil überwuchernden Schluchtwald mit Esche, Bergahorn und Bergulme, Waldveilchen, Großem Hexenkraut, Wald-Ziest und Wald-Segge. Die Flora macht es im Januar jedoch wie der Höhlenbär, das Maskottchen der nahen Heinrichshöhle: sie liegt im Winterschlaf (bzw. ist bist 27. März nur sonntags ab 12 geöffnet, die Höhle).

Es gibt aber Leben: die Amseln schimpfen, die Buchfinken schrecken truppweise auf, die Meisen zirpen und der Specht klopft. Auf der Aussichtsplattform überm „Großen Felsenmeer” pulen Landschaftsgärtner die Bucheckernschalen aus den Bohlen (rutschig!), wir dürfen aber drauf. Der Blick vom Balkon auf die Formationen ist imposant. Schmale Felsplatten türmen sich steil auf, rechter Hand hat die Kraft der Erosion eine kleine Steinbrücke geformt, Blöcke, Türme, Spalten, Kluften: ein Riesengebirge im Kleinformat. Darüber hängen Vorhänge aus immergrünem Efeu und unbelaubte Lianen von Waldreben mit weißen Samenresten.

Leitfossil „Eulenkopf”

Ach ja: Leitfossil der mitteldevonischen Riffkalke war übrigens Stringocephalus burtini, vom Volksmund „Eulenkopf” genannt. Ein danach benannter Wanderweg führt heute über 40 Kilometer von Wuppertal nach Haan.

Mein Leitfossil heißt bekanntlich Franz und der schleust uns durch Deilinghofen zum Ostenberg hinauf. Endlich wieder fest und weit ausschreiten und nicht nur gucken! Obwohl: Es lässt sich einfach nicht verhindern. Oben auf dem Kamm blickst Du auf den Haarstrang und bis ins tiefe Sauerland hinein. Der Wind pfeift eisig um die Ohren und wir stülpen die Kapuzen unserer SEK-schwarzen Anoraks über (die Sondereinsatzkommandos haben irgendwo in der Gegend einen geheimen Übungsplatz). Hinter dem Ostenberg mampfen wir auf einer Bank mit kalten Fingern und klammen Kiefern unsere Kniften, dann schnell weiter. Auf breiten, eisüberzogenen Forststraßen, verharschten Wegen und schlammigen Pfaden, viele Meter entlang des Iserbaches. Wald, Sicht, kein Mensch, außer uns. Mensch!
*man kann auf dieser Tour nur gucken (Felsenmeer) oder man geht die ganze Runde: wandern und sehen
**mit gekreuzten Fingern

Franz_Michael_klein

 

Die Tour wurde von der Kompass-App (unvollständig) aufgezeichnet und nachbearbeitet:

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