Zwischen Stuken und Stumpen

Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Der Himmel fällt heute aus. Kein Horizont, nirgends, was sich später auf der Tour rund um Eversberg noch als sehr nachteilig herausstellen sollte. Nebelige Watte liegt dämpfend auf Dörfern und Gegend. Wenn sich dann der Untergrund noch als ziemlich matschig erweist, ist das eine Scheißtour, zumindest für Markus, der uns heute in Wanderhalbschuhen begleitet.

Gase im nassen Totholz

Das einzig Interessante am Wegesrand bzw. im Wald ist Haareis. Wir sind diesem Phänomen schon öfter begegnet und haben es beschrieben. Feinste gefrorene Gespinste sprießen aus altem, moderigem Holz. Dass für Haareis ein Pilz verantwortlich ist, hat zuerst der Meteorologe Alfred Wegener (genau, der nach dem das gleichnamige Institut benannt ist) vermutet. Das Myzel winteraktiver Schlauch- und Ständerpilze produziert demnach bei Temperaturen knapp unter null Grad im nassen Totholz Gase, die die Feuchtigkeit durch Kapillaren nach außen treiben. Laut Wikipedia wurde Wegeners Annahme 2008 durch eine Studie bestätigt. Mann, für solche raren, aber eindrucksvollen Erscheinungen gibt es wissenschaftliche Studien, aber keine, die sich der Erforschung des Wachstums von Steinpilzen (wann, wo, wie schnell und warum) widmet.

„Nebel ist tatsächlich schön”

Nach genau 2,5 Kilometern Forststraße schwenken wir auf den ersten schmalen Steig ein. „Nebel ist tatsächlich schön, zumindest, wenn man aus der Stadt kommt“, meint Markus. Tatsächlich? Mmhh. Wenigstens legt der weiße, dichte Dunst eine gnädige Decke über das Elend, von dem wir am Lörmecketurm umgeben sind. Hier und da ragen trostloste, aber samenspendende Überhälter, meist Laubbäume, die der Borkenkäfer nicht zerstört hat, aus dem undurchsichtigen Umfeld. Wir wandern zwischen Stuken und Stumpen von gefällten Fichten, einfach „akopalyptisch“ (© Helge Schneider).

„Waldroute trifft es nicht mehr so ganz”

Buchdrucker und Kupferstecher haben in weiten Radien um den markanten Holzturm ganze Arbeit geleistet und Landschaften und die damit verbundenen alten Bilder im Kopf ausradiert. „Waldroute“, sinniert Franz über den Namen der Strecke“, „trifft es nicht mehr so ganz.“ Wir haben hier mal über ein grün-wogendes Waldmeer geblickt. Gottseidank erspart uns der Nebel das Ausmaß des Schreckens und den Aufstieg auf den Turm aus zwei Gründen. Erstens Klettern im Dunst, zweitens sind selbst die geriffelten Stahlstufen des Turms mit gefrorenem Raureif überzogen und arschglatt. Naja, wenigstens haben sich hier oben die Aerosole als schmucke Eiskristalle an Gräsern, Pfanzen und Ästen kristallisiert.

Nur mit einem Ohr

Runter nach Eversberg, dominiert von Fachsimpeleien zwischen Markus und mir. Er teilt die Leidenschaft, gute Musik über sehr gute Stereo-Anlagen zu hören: meine Boxen, mein Verstärker, mein Streamer, mein Plattenspieler. Franz, das muss nebenbei erwähnt werden, hört nur mit einem Ohr zu.
Der Aufgang durch Eversberg zur Burgruine hoch ist immer wieder schön, trotz tristem Wetter, gepflegtes Fachwerk, schöne Ensembles, mittelalterlich wirkendes Rathaus. Der Aufstieg auf die Ruine fällt aus den gleichen Gründen wie beim Lörmecke-Turm aus: nasse, rutschige Holzstufen, überzogen mit einer tückischen Eisschicht. Wenigstens für ein Jux-Foto im Pranger reicht es.

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