Oh ja!

Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Neben dem Wanderparkplatz Rammstall rumpelt ein Timbertruck aus Estland an unseren Autos vorbei, hoch in die gerodeten Kuppen. „Sieht das gruselig aus“, sagt Franz, „wenn man aus Endorf rausfährt.“
Womit wir fast schon bei der Politik wären. N-Dorf, liegt nahe beim inkriminierten N-Wort, das kürzlich die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock – ungerechtfertigt – in die Bredouille brachte, weil sie es im Zusammenhang mit einem angeblichen rassistischen Vorgang an einer Schule aussprach. Ich schreibe das Wort hier jetzt mal aus, obwohl auch wir als Portal für rassismusfreies Wandern durchaus mit der Sprachpolizei aus dem Berliner juste milieu rechnen müssen.

Das Dorf Neger hat nichts mit Rassismus zu tun

Ja, Neger! So heißt im Sauerland ein Dorf, bzw. es gibt Oberneger, Mittelneger und – pfui! – Unterneger, was dem Rassismus eigentlich noch die Krone aufsetzen müsste; doch die sprachliche Herkunft der Ortsnamen hat überhaupt nichts mit Unterdrückung, Fremdenfeindlichkeit oder Herabwürdigung von farbigen Menschen zu tun.
„Selbstverständlich hat die Namensgebung nichts mit Rassismus zu tun“, versicherte Peter Weber, Bürgermeister von Olpe, zu dem der Ortsteil gehört, im Jahr 2020 der deutschen Presseagentur. Der seit 700 Jahren belegte historische Ortsname leite sich nicht vom lateinischen „niger“, also schwarz oder dunkel, ab, erklärte dazu ein Forscher des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, sondern vom Namen des Flüsschens Neger, der sich wiederum auf einen Wortstamm „nag“ beziehe. Ein übergriffiger Berliner Sprachwissenschaftler schlug den Bewohnern ernsthaft vor, sich in Nager, Obernager, Mittelnager und Unternager umzubenennen.

Im Hochsauerland fließt ein Fluss gleichen Namens

Übrigens: Hatten wir die (andere) Neger-Quelle im Hochsauerland schon erwähnt? Sie entspringt oben an der Hunau und mündet nach 17,7 Kilometern in die Ruhr. Damit ist die Neger 900 Meter länger als die Ruhr und das ganze Wasser, dass dann gen Ruhrgebiet fließt, müsste somit einen ganz anderen Namen tragen. Welche Weiterungen das für das Ruhrgebiet zeitigen würde, da müsst ihr schon selbst drauf kommen (Ende Selbstplagiat).
Wasser jedenfalls hatten die Endorfer in den letzten Wochen genug. Der Weg, den wir uns hochquälen bei schwülem, drückendem Wetter, ist von Regenfluten zerstört, das Wasser hat sich in einer Rinne 50 bis 60 Zentimeter tief nach unten gefräst, dicke Steine bloßgelegt und mitgerissen. Dass der Wald links und rechts des Weges genauso zerstört ist wie der Untergrund, sei nur nebenbei erwähnt. In Recklinghausen treffen wir später auf Anwohner der Röhr, die bei dem Unwetter hoch über die Ufer getreten ist. „Bis hierhin“, sagt ein Mann und deutet mit einer Geste: bis zur Brust, „stand das Wasser im Keller.“

Schöne Teilstrecke im Alten Testament

Zuvor bestaunen wir in Weninghausen die Kapelle, die Andacht und sozialen Wohnungsbau vereint. Unter der Dachrinne des kleinen Gotteshauses hängen mehr als 20 Nistkästen für Vögel. Das Glanzlicht der Tour ist eine Teilstrecke auf dem Alten Testament, eine insgesamt knapp 40 Kilometer lange Runde bei Sundern und Hellefeld. Der erste Eindruck: urwüchsig bewachsen, offenbar seit der Schriftlegung des Alten Testaments wenig begangen. Aber sehr schön. Von dem Weg weist ein Holzschild nach links ins Unterholz auf „Henners Ruh“. Oh ja! Henner hat 20, 25 Meter abseits eine Bank errichtet mit Blick ins Tal und auf Endorf (wenn wir uns nicht irren). Wenig später hätten wir fast den Hinweis übersehen auf den schmalen Steig ins Unterholz. Er führt uns zum Recklinghäuser Kreuz, einem kleinen Soldatenfriedhof in Erinnerung an die Opfer der Weltkriege. „Hört sich an nach A2 und A43“, meint Franz, der Name bezieht jedoch auf ein hohes, weißes Betonkreuz, das den Friedhof überragt.

Deele im Fischgrätmuster

Unten in Endorf linsen wir in den Stracken Hof, ein Längsdeelenhaus, um 1634 im Dreißigjährigen Krieg gebaut. Der Hof gilt als ältestes Steinhaus im kurkölnischen Sauerland, innen in der Deele liegt noch ein schöner Steinboden im Fischgrätmuster. Heute beherbergt der Hof ein Begegnungszentrum. Darin treffen sich die Endorfer, heiraten und feiern. Wir müssen uns leider noch zurück zum Wanderparkplatz Rammstall quälen.

Kommentar zu “Oh ja!

  1. Herzlichen Dank für das Mitnehmen auf diese Tour! Ich glaube, ich muss mich bei meinen Touren auch mal auf das „nördlichere“ Sauerland stürzen… in der Ecke war ich bisher (noch) nicht unterwegs…
    Viele Grüße aus Lennestadt!

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