U wie Umnutzung

Von Michael (Text) und Franz (Fotografie) – Wir sind heute zu dritt: Franz, ich und Alexandra, das Sturmtief. Weil Wetterdienst und Unwetterzentrale vor Gewittern, Schauern, Graupel und Sturmböen warnen, biegen wir von unserer ursprünglichen Route ab. Schließlich sind wir das Portal für flexible Streckenführung und schlendern zum Dortmunder U.

Wir sind uns sicher: Für viele (Bürger, sehr, sehr sauer) ist der Museumsklotz das erste Hochgrab in Dortmund, das Abermillionen verschlang; für andere (uns) ist es angesichts der heranbrausenden Alexandra die größte Schutzhütte der Welt. Wiederum sind wir uns sicher: Viele Dortmunder würden uns beipflichten und sagen: Endlich mal eine vernünftige Nutzung dieses Kastens (Polemik wird uns auch auf unserem weiteren Weg durchs U begleiten)!

„Wird hier noch höher gebaut?”

Gut, gemütlich machen in diesem mehrstöckigen Trumm wird schon ein Problem und aus unserer Sicht sollte man bedenken, dass solche massiven Schutzhütten erst um 11 Uhr öffnen; alternativ müsste man Unwetter einer präzisen Zeitplanung unterwerfen.

Zurück zum Kaffee in die Innenstadt und erneute Annäherung. Was dabei auffällt: Sichtachsen, wie sie früher Ritter schlagen ließen wg. Blick auf ihr Gartenschlößchen, gibt es in Dortmund nicht. Und der Blick, den man auf das hochaufragende frühere Brauereigebäude hatte, wird zuverlässig verbaut. Dortmund kann das ganz gut und schnell, siehe Hörder Burg am Phoenix-See. Massive Hoch- und Querriegel umzingeln das U von allen Seiten. „Wird hier noch höher gebaut?” fragen wir die freundliche Dame an der Kasse angesichts der Baukräne nebenan. „Ich hoffe nicht”, antwortet sie mit sorgenvollem Gesicht. Wir lösen eine Karte für die Ausstellung „Arche Noah” im Museum Ostwall, die sich mit dem Verhältnis Mensch-Tier in der Kunst befasst. Praktischer Hinweis: Das Ticket gilt, solange die Ausstellung läuft (bis 12. April 2015), auch für einen Eintritt in den Dortmunder Zoo.

Ein Scheißhase aus Karnickelkötteln

Das Medienforum im Erdgeschoss bleibt dunkel („wegen Bauarbeiten nebenan”) und auch Peter Lohmeyer und Rolf Dennemann als Videoprojektion haben ihre virtuellen Fenster im Rolltreppengebäude noch nicht bezogen, wie die Fliegenden Bilder eine – geniale – Winkelmannidee. Ein Gedanke zwischendurch: Kann es sein, das manches in diesem Zentrum für Kunst und Kreativität bemüht künstlerisch daherkommt, um Adolf Winkelmanns gemütliche, warme Ruhrgebietsklischees zu neutralisieren? Nur mal so.

Stürzen wir uns in die Ausstellung. Fotografieren ist verboten, was schade ist, denn Franz hat einen anderen Zugang zum Metier als es die hüftsteifen offiziellen Bilder vermitteln. Tja, iss ja Kunst! Zur Erläuterung derselben drückt uns die Museumsaufsicht ein Heft („Bitte am Ausgang abgeben”) mit kurzen Erläuterungen in die Hand. Gleich die ersten Objekte, die wir betrachten, sind darin gar nicht erwähnt: Rosemarie Trockels „Gewohnheitstier“ und das Gemälde von Mensch und Bär im Aquarium von Norbert Tadeusz sowie einiges andere mehr. In anderen Museen werden klärende Texte neben die jeweilige Kunst geheftet, gestellt oder irgendwie fabriziert, aber nicht in Hefte, die hinterher wieder einkassiert werden.

Der Kreuzweg der Hühnervögel

Die Ausstellung selbst ist gut – finden wir-, mit rund 160 Gemälden, Skulpturen, Fotografien und Videoinstallationen aber überfrachtet. Der Titel unterstellt zwar die Rettung der Tiere durch den Menschen, bekanntlich hat sich das Verhältnis im folgenden zu ungunsten einer Partei deutlich tödlicher gestaltet. Donatella Landis Videoinstallation zeigt den unruhig hin- und her tigernden Bären (Rilkes Panther!), neurotisch und deformiert in der Gefangenschaft, Anna Jermolaewa die blutige Inszenierung eines Stierkampfes. Deutlich amüsanter kommt uns Dieter Roths „Scheißhase“ unter, der für sich reklamiert, aus Karnickelkötteln entstanden zu sein. Deborah Sengl erdachte die Via Dolorosa, den katholikenschockenden Kreuzweg der Hühnervögel direkt zum KFC (für Nicht-Systemgastronomie-Kenner: Kentucky Fried Chicken) und bei Marcus Coates bleibt kein Auge trocken: Ruckhaft wie ein Vogel imitiert er die Rufe von 86 britischen Nichtsperlingsvögeln. Brutal in seiner Realität ist Jörg Knoefels begehbares Schlachthaus Berlin, das die Ausweglosigkeit (Labyrinth) und die Industrialisierung des Tiertötens zeigt. Ach, geht doch hin und macht euch eure eigenen Gedanken!

Sone Schutzhütte ist nicht schlecht!

Wir machen es jetzt wie Lohmeyer, der sich bräsig ins Fenster fläzt und mit Rolf Dennemann nebenan quatscht, zücken im roten Chillraum unsere Thermosflasche mit Adventstee und Stullen und glotzen aus dem Fenster. Mittlerweile heult und peitscht es draußen. Das ist zwar nur heftiger Regen, aber eben schlecht abzuwettern im Aplerbecker Wald. Ist doch gut, in einer Schutzhütte zu sitzen, und dann auch noch so bequem!

 

Franz_Michael_klein

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