Auf der Burg All-zu-nah

Von Michael (Text) und Franz (Fotografie) – Die Überschrift ist natürlich Quatsch, weil wir einen Schlag auf dem Sauerland-Höhenflug von Altena bis Neuenrade gemacht haben; aber sie hat trotzdem einen Bezug zu unserer Tour, wie sich später zeigen wird.

Wir sind als Kundschafter ins Lennetal gefahren, um einen Plan abzuklopfen. Wenn wir in Altena genug Anlauf nehmen, wie weit kann uns der Schwung auf dem 250 Kilometer langen Höhenflug bringen? Denn wir wollen in naher Zukunft mal eine Mehrtageswanderung unternehmen, Franz and me.

Doch zunächst stellt Franz keine unverfängliche Frage in den Raum: „Will man hier wohnen?” Wir rumpeln auf Straßen, die noch schlechter sind als jene in Bochum, durch enge, tiefe Täler, vollgestopft mit häßlichen Fabrikgebäuden. Taktvollerweise antworten wir an dieser Stelle mal nicht. In Altena selbst kriegst Du ein Parkplatzproblem. Für die mautpflichtigen Plätze am Lenneufer finden wir nur zwei Silberlinge im Portemonnaie. Also für zwei Euro solange parken wie geht (auf wunderbare Weise passten genau so viel Kilometer in diese Zeit, wie wir gegangen sind: 17 kommanochwas).*

Mit Alberich und Wieland im Erlebnisaufzug

Im Ort ist Markt und ein mobiler Hähnchenbrater bietet uns Riesenschenkel an. Brauchen wir nicht, weil wir die 80 Meter zur Burg mit dem neuen Erlebnisaufzug hochfahren werden. Und hier ein ernster Einwand: Ein schnödes Plastikbanner quer über die Gasse weist auf das neue Glanzlicht am Fuß der Burg hin. Der seitlich etwas versteckt liegende, mit rostendem Corten-Stahl umrahmte gläserne Eintritt hätte etwas Angemesseneres verdient. An der Kasse freuen wir uns über den freundlichen, informativen Empfang und den „Gutes-Wetter”-Wunsch für unsere weitere Strecke, plauschen ein wenig und stiefeln in den mit allerlei Edutainment animierten Berg.

Fische unter unseren Füßen

Wirklich abgefahren ist die – von uns nicht überprüfte – Überlieferung, wie die Burg zu ihrem Namen kam. Demnach beschwerte sich ein Nachbar aus Arnsberg beim mittelalterlichen Bauherrn, warum er seine Burg „all-zu-nah” baue. Holografische Sequenzen über die Entstehung des Hemeraner Felsenmeers oder Fische, die unter unseren Stiefeln im filmischen Kieselbachbett umherflitzen, sind einige der technischen Attraktionen. Im Aufzug zur Burg hoch fahren Alberich (der Zwergenkönig aus dem Felsenmeer), Wieland, der Schmied, der Hl. Einhard und Burgherr Graf Dietrich mit. Spectaculum, um Auswärtigen mittelalterliche Geschichte schmackhaft zu machen.

„Sittsames Betragen der Gefolgschaft”

Die Burg selbst ist eine echte Schau: super erhalten, top gepflegt, ein hier wohnhafter Turmfalke hält die Gemäuer taubenmistfrei und man könnte sich ins Mittelalter zurückversetzt fühlen, wenn nicht moderne Biertheken und Partyzelte im Innenhof einen Zeitsprung verhinderten: Offenbar zechten bereits Ritter Krombacher Bier.

Andächtig (alte Hausordnung: „Der Führer achte auf sittsames Betragen seiner Gefolgschaft”) betreten wir die Mutter aller Jugendherbergen, die Richard Schürmann 1912 (andere Quellen geben 1914 an) aus einer Altenaer Schule in die Burg verlegte. Sein Motto würden wir jetzt nicht so gestelzt formulieren: „Das Wandern ist ein Gesundbrunnen für Jung und Alt und muss Volkssitte werden”, aber ein Anliegen ist es schon. Die Betten mit durchgelegenen Matratzen wurden aus sägerauhem Holz gezimmert und schimmern honigdunkel wie der gesamte Schlafsaal, die Bohlen des Bodens sind blank gewienert.

Geschickte Wegeführung und prächtige Rundschau

Das war jetzt viel textualer Anlauf, um es manieriert zu sagen, dabei stehen wir erst am Anfang unserer Höhenflug-Wanderung. Wir steigen aus der Burg herab ins Tal, um uns am gegenüberliegenden Hang aufzuschwingen auf die Höhe. Noch ne Anmerkung für die Wegemacher: Vielleicht die ein oder andere Aussicht mehr auf die Burg freischneiden? Ab jetzt gehen wir jedenfalls mopperfrei. Ein Fuchs hoppelt vor uns den Hang hoch, oben erwarten uns viel Ruhe, eine geschickte Wegeführung um Ortschaften herum, hinter dem Flughafen Hegenscheid Weitsichten mit immer mehr Falten, Schichten und Lagen des Sauerlandes, schmale Pfade durch schulterhohen Ginster, ein (vermuteter) Schwarzstorch, tausend Schattierungen triebzarten Grüns, eine Rast im Hans-Schmidt-ihm-sein-Haus, das Stahlgittergestell des Quitmannturms über Neuenrade, oben eine prächtige Rundschau! (wer von unserem plötzlichen beruflichen Ableben weiß, weiß auch: ist auch ein Scherz) und die mit Stein eingefasste Hönnequelle am Großen Attig (437 m). Wären wir Late-nite-Talker Harald Schmidt, würden wir, wie einst er, mit der Hand süffisant Nass schöpfen mit der Bemerkung: „Ich sage Ja zu deutschem Wasser”, aber der Born ist eine Hungerquelle. Er rinnt nur, wenn der Grundwasserspiegel hoch genug steht. In unserem Falle kommt es aktuell von oben.

„Huhu, Carsten!”

Rasante Busfahrt nach Werdohl hinunter, weiter in der vollgepfropften Sardinenbüchse RE16 (u.a. mit zwei Mädels aus dem Heimatort Elspe) nach Altena, dortselbst pünktliches Aufsuchen des eigenen Fahrzeugs auf der Lenneplatte. Zwei Euro: Mehr Eindrücke für weniger Geld gibt’s nirgendwo anders!

*Ach, noch was zu Altena: Wie mir ein lieber früherer und hier ansässiger Tageszeitungsredaktionskollege glaubhaft versicherte, geht in der Stadt öfter mal das Internet (E-Mail und so) kaputt. Auch auf Short-Messages konnte der Kollege nie antworten, zumindest nicht sofort, sondern vielleicht erst nach Tagen oder Wochen. Also: Wenn jemand Carsten kennt und diesen Text hier liest, bitte schreib ihm eine Notiz, ein Post-it oder eine Postkarte mit unserem Gruß: „Huhu, Carsten!”

Franz_Michael_klein

Die Strecke wurde aufgezeichnet mit der App outdooractive:

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Kommentar zu “Auf der Burg All-zu-nah

  1. … auf jeden Fall ne Klasse Reportage, ich glaube ich werde meine Kinderlein mal in nicht allzu ferner Zukunft auf die Burg All-zu-nah schleifen.
    Echt klasse euer Blog, das muss ich schon sagen!
    Viele Grüße

    Barbara

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