45 Meter Abenteuer

Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Enttäuschung und Euphorie liegen manchmal nur Minuten auseinander, wie in Bruchhausen. „Ich dachte, hier wäre mehr Schnee“, meint Franz enttäuscht, als er die grünen Hänge im Ort betrachtet. Doch selbst im Hochsauerland haben milde Temperaturen die weiße Decke abgeschmolzen.
Der Weg hoch zu den Bruchhauser Steinen ist tückisch, zu Rippen gefrorener Schneematsch und dünne, frische Eisfilme auf den Steinen. Mit zunehmender Höhe nimmt auch die Schneehöhe zu. Vom Bornstein hängen Eiszapfen wie bizarre Stachelbärte.

Adrenalin!

Gehen wir hoch auf den Feldstein? Ist bei dieser Witterung riskant. Die Felsen des Porphyrzahns sind vereist, in manchen Harsch müssen wir erst Stufen treten, um halbwegs Halt zu finden. Dann sind wir oben, nur 45 Meter höher, geklettert im alpinen Stil. Bergheil! „Allein für diese Szenerie hat es sich gelohnt“, sagt Franz, „das Licht ist göttlich.“ Und die Sicht grandios. Der Wind treibt Dunst und Wolkenbänke in Form und über die Berge, dunkles stahlblau bis weißgrau, eine düstere, dramatische Ansicht. Franz dirigiert mich für ein Caspar-David Friederich-Motiv in Stellung, auf den vereisten Felsen ein Eiertanz. Der richtige Adrenalin-Shot stellt sich aber erst beim Abstieg durch die arschglatte Rinne ein. Drei Punkte sind statisch bestimmt, also neben den Füßen auf dem Boden auch immer eine Hand für den Berg.

Viel Schneebruch und ein gutes Buch

Auf dem Pfad vom Feldstein zum Drachenplatz liegt viel Schneebruch im Wald; die schwere, nasse Last hat viele Wipfel vom Stamm geholt. Bergab treten wir aus der Kaltzone plötzlich für kurze Zeit in die Sonne und die Wärme fühlt sich fast an wie Frühling.
Ein handliches Stück Lesefutter hat Franz übrigens umsonst geschleppt. „Das Evangelium der Aale“ von Patrik Svensson hatte ich mir auf seine Anregung hin schon digital aus dem großen Buchladen gegenüber des Dortmunder Hauptbahnhofes geladen. Diese Einrichtung, Bücher aus der Ferne und zu jeder Tages- und Nachtzeit aus der Stadtbibliothek heruntersaugen zu können, ist wirklich ein Segen für Vielleser! (All you can read für nur 20 Euro im Jahr). Zurück zum Buch. Im Evangelium verwebt Svensson seine persönlichen Erfahrungen beim Angeln mit seinem Vater mit der naturwissenschaftlichen Geschichte der Erforschung der Aale. Auf einer metaphysischen Ebene haben wir viel gemein mit diesem Fisch. Woher kommen wir, wohin gehen wir? Das Geheimnis der Laichplätze der Aale (u.a. Sargassomeer) ist immer noch nicht endgültig entschlüsselt. Schönes Buch!

Übernachten im Schnee

Und schöne Tour. Auf dem Rückweg zu den Bruchhauser Steinen treffen wir vier Hardcore-Wanderinnen und -Wanderer. Jung, in ihren 20ern, aus Bergneustadt, und anhand ihrer Ausrüstung zu schließen, nächtigen sie auch im Wald. Das war schon ziemlich ungemütlich, geben sie zu. Minus sieben Grad, „die erste Nacht haben wir ein Biwak gebaut, in der zweiten in einem Schutzunterstand übernachtet“, sagt eine der jungen Frauen. Stark! Kriegen wir so einfach nicht mehr hin, was Franz?

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