Alles tropft

Von Franz (Fotografie) und Michael (Text) – Alles tropft. Wasser zischt. In unheimlicher Geschwindigkeit durch die enge Breitachklamm. Wenn das Wanderwetter unbeständig ist, kann man auch gleich dorthin gehen, wo es richtig nass und feucht ist.

„Dieses einzigartige Naturdenkmal ist die tiefste und eine der imposantesten Felsenschluchten Mitteleuropas und zählt zu den schönsten Geotopen Bayerns!“, jubilieren die Betreiber der Klamm, die zwischen Oberstdorf und dem Kleinwalsertal liegt.

„Meisterleistung göttlicher Schaffenskraft”

Wir kennen nun nicht jede mitteleuropäische Felsschlucht, aber die physische Gewalt des Wassers, das sich seit 10.000Jahrtausenden einen schmalen Spalt in das Gestein des Engenkopfes geschliffen hat, ist wirklich beeindruckend. Der Pfarrer Johannes Schiebel hatte 1905 indes eine theologische Ursache ausgemacht: „Eine Meisterleistung göttlicher Schaffenskraft“.

Weiße, zornige Gischt

Die in den Schrattenkalk gefräste Schlucht ist bis zu 150 Meter tief, der Weg durch die Engstelle rund 2,5 Kilometer lang, was das, was den Besucher erwartet, nur unzulänglich beschreibt. Tosen. Steinabbrüche über uns. Enge. Beklemmung legt sich auf die Brust. Weiße, zornige Gischt. Wasseramseln fühlen sich trotzdem wohl und segeln knapp über die Wasseroberfläche. Feine Tröpfchen umhüllen uns. Sattgrüne Moose und Farne saugen den Nebel begierig auf. Kristallklares Wasser stürzt über Felsbänke, seine Kraft hat runde Gumpen ausgehöhlt. Ist dieser wahnsinnige Strudel wohl schiffbar? „Einmal“, feixt Kanute Martin.

Felssturz in die Klamm

Auf einer der Brücken über die entfesselte Breitach sind Höchstwasserstände notiert. Der Pegel stand mal auf unglaublichen 6,30 Meter über dem Steg, auf dem die Klammgänger stehen. Mächtig lehnt sich der Fels über uns. Vertrauenserweckend geht anders. Am 23. September 1995 rissen rund 50.000 Kubikmeter Gestein ab und stürzten in die Breitach. Gottseidank hielt sich der Felssturz, um 6 Uhr morgens, nicht an die offizielle Öffnungszeit (ab 9). Das Wasser der Breitach staute sich dahinter 30 Meter hoch an, im Frühjahr darauf durchbrach es den Damm und verwüstete die Klamm.

Die Breitach spielt Baum-Mikado

Welche Kraft Wasser hat, ist nicht nur an den rundpolierten Felsen zu beobachten. Wuchtige abgebrochene Stämme haben sich in den Engstellen verkeilt, auf einer Kieselbank liegt ein wirrer Haufen aus Holz. Die Breitach spielt Baum-Mikado. Am Oberlauf des Flusses weist nichts auf dieses Wüten hin. Manchmal nur knietief treibt die Breitach dahin, um wenig später giftig Fahrt aufzunehmen. Wilde Schönheit, schöne Wildheit.

Franz_Michael_klein

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