Kein Fortkommen nich

Von Franz (Fotografie) und Michael (Text) – Es gibt Tage, da wird Dir das Heft des Handelns aus der Hand genommen, dein Weg im Wald wird gelenkt von jemand, der wirkungsmächtiger ist als Du. Der Steinpilz ist so eine Gestalt, sein rehbrauner Hut am Wegesrand löst jenen archaischen, reflexhaften Trieb aus, der mit: Habenwollen! Sammeln! Einsacken! am trefflichsten charakterisiert ist.

Was der König unter den Waldpilzen mit dem Sammler anstellen kann, hat vor Jahren der ZDF-Autor Hans Helmut Hillrichs in der dtv-Reihe „Kleine Philosophie der Passionen – Pilze sammeln” sehr schön beschrieben: „Als Pilzsucher hast Du das Gesetz des Handelns an den Wald abgegeben, bevor die Suche beginnt. Du agierst nicht, du reagierst, und genau das macht dich erfolgreich! Pilze suchen ist ein reaktionäres Geschäft im besten Sinne.”

Weltabgewandt, verklärter Blick: Steinpilzsucher!

Der Wanderweg X27 führt von einem Parkplatz oberhalb von Lennestadt-Halberbracht ziemlich direkt auf Bracht im Schmallenberger Sauerland zu, auf moosgrünen Pfaden, breiten Wegen und abwechslungsreichen Waldszenarien. Leicht zu begehen, sehr zu empfehlen! Unser Start wurde jedoch von den ersten Pilzsichtungen jäh eingebremst, kein Fortkommen nich, zumindest kein zügiges, um die geplante 20er-Runde zu absolvieren. Weltabgewandt, mit verklärtem Blick, taperten zwei gestandene Kerle anschließend durch den Wald und ein derartiger Zustand birgt natürlich die Gefahr, wichtige Wandereigenschaften zu vernachlässigen. Etwa: auf den Weg und seine Beschilderung achten. Doch mit Steinis ist es wie mit schönen Frauen: Man kann den Blick von ihnen einfach nicht lassen und so trickste uns der X27 mit einem einfachen Wackler nach links aus.

Schafe, sehr schön gewaschen und gefönt

Wieder in der richtigen Spur, treffen wir auf Schafe. Sehr aufmerksam, sehr scheu und sehr schön gewaschen und gefönt, so hat es zumindest den Eindruck (guckstdufotos). Rast an der SGV-Hütte, die den Namen der „sauerländischen Nachtigall” Christine Koch trägt. Sie schrieb im nahen Bracht Gedichte und Erzählungen in sauerländer Mundart und manchmal auch deutsch-nationaler Diktion.

„…nur noch Schnittstellen”

Nicht unsere bevorzugte Richtung, wir gehen weiter Richtung Hoher Lehnberg und crosscountry an der Lehnborn-Quelle vorbei ins Gleiertal hinunter, weil wir die ursprüngliche Streckenplanung bis zum Rinsleyfelsen bei Saalhausen und über Gleierbrück zurück nicht halten können. Immer wieder stolpern wir über Steinpilze, allerfeinste, knackige Ware, keine Sommersteinpilzmumien, wie sie auf dem Dortmunder Hauptmarkt verkauft werden. Und die prächtigsten Exemplare können sogar sprechen und rufen: „Ey, Schmitz, die Nase, du hast mich übersehen.” (Alte Journalistenregel: Wer nicht übertreibt, schildert nicht anschaulich.) Und so wollen wir hier einen langjährigen Kollegen erwähnen, dessen Brachter Verwandtschaft sich bei ihm beschwerte, kein Wunder, sagen sie, sie fänden „nur noch Schnittstellen”…, die wir als Fundstellen allerdings verbergen.

Stimmungsaufhellend, süchtigmachend

Kann es sein, dass die Steinpilz-Suche stimmungsaufhellend ist und süchtigmachende Nebenwirkungen besitzt? Die Antwort weiß wiederum Hans Helmut Hillrichs: „Pilze essen macht satt, Pilze finden zufrieden und Pilze suchen glücklich.”

Zum Sattmachen: Eine Aubergine längs aufschneiden, würfeln und trocken braten; zuletzt etwas Öl zugeben, darin eine gehackte Knoblauchzehe kurz mitbraten, umrühren. Etwas gewürfelten Speck auslassen, eine Handvoll Steinpilze putzen, in mundgerechte Stücke schneiden und mitbraten. Salz und Pfeffer nicht vergessen.

Linguine oder Spaghetti bissfest kochen und abgießen, etwa 100 g geraspelten alten Gouda/Grana in 150-200 ml Kochwasser rühren, Spaghetti dazugeben. Pasta in Teller füllen, Auberginenwürfel und Steinpilze darauf anrichten. Als Garnitur bieten sich Tomaten an, die man achtelt und im Backofen gart. Nichts Großes, aber schmackhaft, sieht so aus.

Zusätzliche  Säure ins Spiel bringt der Südtiroler Chardonnay „Somereto” vom Weingut Andrian mit einem Nachhall nach gelben Früchten und einem Schuss Mineralität.

Franz_Michael_klein

 

Die Tour wurde nachgezeichnet mit dem Tourenplaner outdooractive:

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Kommentar zu “Kein Fortkommen nich

  1. Hach – da werden Erinnerungen wach.
    Ja, auch ich war einst mit dem König der Pilzefinder auf Tour. Dank ihm fand ich meinen ersten Steini (Michael, is das einer?). Wenn ich mich nicht irre, dann sogar auf der gleichen Tour – zumindest auszugs-, oder besser abschnittsweise.

    Guten Appetit gehabt zu haben!

    poddi

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