Im legendären Bärenloch

Von Gerald (Text und Fotos) – „Auf Messers Schneide“ haben wir die letzte Tour im Schweizer Jura-Gebiet getitelt. Was ist dann diese Wanderung?! Ein heißer Ritt auf der Bärenloch-Rippe!? Diesmal hat Kurt ganz tief in der Trickkiste seines Touren-Repertoires gegraben und für einen würdigen Abschluss der Trilogie gesorgt.

Aber der Reihe nach. Wir parken das Auto an einem unscheinbaren Punkt hinter dem malerischen Balstal, 55 Kilometer hinter Basel und 2 Kilometer vor Welschenrohr. Fast hätten wir das gelbe Wanderschild am rechten Straßenrand übersehen. Hier geht’s unvermittelt und ohne große Vorrede in die Wolfsschlucht. Ein Schild weist sie noch als die am tiefsten eingeschnittene Schlucht des Juramassivs aus. Ein Handkantenschlag in eine senkrechte Felswand, durch die ein steiler Zickzackweg dem Wolfbach folgt. Aber schon ist Kurt auf und davon.

Durch die warme Frühlingssonne

Über 100 Meter ragen die Wände rechts und links in den Himmel. Die Gunst der späten Stunde schickt uns die Sonnenstrahlen genau jetzt in die schmale Kluft und in die glasklaren Fluten des Gebirgsbaches. Wir treten auf eine versteinerte Muschel aus der Zeit vor Jahr Millionen, als dieser Canyon noch ein Meeresboden war. Doch Kurt ist schon weiter. 200 Höhenmeter in 20 Minuten, Respekt!
Weitere 100 Höhenmeter später ändert sich schlagartig die Szenerie. Wir verlassen die enge Schlucht und vor dem Auge öffnet sich weites, sanft geschwungenes Gelände. Auf einem Holzschild steht „Lochbodenweg“ und den gehen wir gerne, denn am Waldrand dürfen wir durch die warme Frühlingssonne laufen. Hinter den Weiden zeigt Kurt auf die nächsten Gipfel, den Chamben und die Röti (1400 m).

Das Naturwunder: 30 Meter breit, 20 Meter hoch

Der erste Zitronenfalter weist uns den Weg geradeaus. Da sehen wir vor uns schon die Kalkwände, die unser heutiger Tummel- und Schlenderplatz werden. Also stapfen wir weiter unter die Wände, die sich im Sonnenlicht aufheizen und bereits manche Pflanze zum Blühen bringen. Im Sommer sei hier die Jura-Viper zu Hause. Sie wird immer seltener, schreibt der Heimatforscher Walter Schmid.
Von diesem Wandfußweg zweigt plötzlich und ohne Markierung ein Pfad nach rechts ab. Jetzt geht’s los. Mehrfach, berichtet, Kurt, hat er hier vergeblich, nach dem rechten Weg gesucht, auch Leute gefragt. Aber die Schweizer sind erstmal vorsichtig bei so einem Fremden aus dem Deutschen. Erst als er versicherte, „Ich kenne Deinen Bruder“, brachte er das Eis zum Tauen und erhielt Insidertipps, die ins Heiligste des legendären „Bärenlochs” führen. Entlang eines alten Holzgeländers geht’s steil nach oben. Wie Lausbuben auf „geheimen Pfaden“ sind wir hier unterwegs. Wenig später liegt es dann vor uns. Das Naturwunder. Wow! 30 Meter breit, 20 Meter hoch, eine halbe Höhle, das Dach durch zwei Felsrippen zerrissen. Dramatisch. Wild. Der Lehrer Walter Schmid berichtet, dass Bären noch im 17. Jahrhundert dort lebten und von der Dorfbevölkerung gejagt wurden. Die Obrigkeit spendierte ein paar Hosen für erfolgreiche Bärenjäger.

„Es braucht etwas Überwindung”

Sieben Fledermausarten sind hier zu Hause. Jetzt flattern aber Schwalben durch die Höhle. Ich dachte, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer… Wir wollen jetzt nur dem Bärenloch aufs Haupt steigen. Dazu schreibt der Schweizer Heimatforscher: „Wer aufs Bärenloch steigen will, muss trittsicher und schwindelfrei sein.“ Es geht nochmal zurück und im zweiten Klettergrad nach oben, vorbei am Gitziloch. Ein Holzstamm liegt am Wegrand in Knöchelhöhe als Abrutschsicherung. „Ein Geländer für Appenzeller“, entfährt es Kurt trocken.
Weiter nach oben. Kurt vorneweg. Und dann steht man plötzlich vor den beiden schmalen Felsrippen, unter denen jäh der Abgrund gähnt, rechts bis zum Höhlenboden, links noch viel tiefer. Jetzt ahne ich, warum heute keiner von Kurts Wanderfreunden Zeit hatte mitzulaufen. Schon ist Kurt auf der Mitte der sogenannten Brücke, gerade noch eben die Kamera herausgeholt. Und jetzt? Da drüber? Ungesichert? „Sie ist an der schmalsten Stelle nur etwa einen Meter breit und braucht etwas Überwindung“, schreibt Walter Schmid. Recht hat er. Die Reepschnur von Kurt misst etwa vier Meter. Das nützt in dem Fall wenig. Also: Augen auf – und durch. Puh! Geschafft!

„Der Jura ist einfach wilder”

In leichter Kletterei geht es nach dieser Mutprobe weiter nach oben. Und es wartet tatsächlich eine weitere Prüfung. Denn der Pfad endet scheinbar vor einer Felswand. Aber es gibt einen Spalt, der sich zum Loch verengt. Zwanzig Meter durch die Gedärme von Mutter Erde, die sich Hohle Flue nennen. Dahinter hat Kurt schon das Gipfelbuch aufgeschlagen. Zwei Spirituosen-Depots hat er auch schon geöffnet. „Das hat früher die Vreni oben vom Hof Hinter Brandberg immer gut versorgt“, weiß Insider Kurt. Jetzt aber weiter hinauf, zwischen Felsen und Aussichtskanzeln, Türmchen und Wänden dem Gipfel entgegen.
Oben sieht man bereits den Hof vom Hinter Brandberg (1180 m), wo man „sich bei einem kühlen Trunk erholen“ kann, wie Walter Schmid rät. Genau das machen wir. Fachsimpeln mit Wirtin Vreni und zwei Mountainbikern, die schon bald erkennen, das Kurt ihre Heimat besser kennt als sie. Und das hat er nicht zum ersten Mal gehört. Kurt zieht lieber in den Jura als in den Schwarzwald. „Jetzt weißt Du auch warum: Der Jura ist einfach wilder.“

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1 Kommentare zu “Im legendären Bärenloch

  1. Lieber Gerald, vielen Dank für den Bericht vom Bärenloch. Da werden meine helvetischen Freunde vom Schwizer Alpenclub (hab‘ denen den Link gesendet) wieder mal über mich schimpfen.
    Aber ich staune doch immer wieder über die Aufmerksamkeit, welche Du den Touren widmest. Ich lese wiederholt Dinge in Deinen Berichten, die ich bislang noch nicht bei mir aufgenommen habe. Es macht Freude, wenn man so jemandem etwas weitergeben kann.

    Mit bergsportlichen Grüssen, Kurt

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