Des Tages schönste Zeit

Von Franz – Was habe ich doch für ein Glück. Ich darf eine kleine Reisegruppe aus Iris Chor zum Flughafen Düsseldorf bringen und zwar zu einer Uhrzeit, in der die meisten Menschen noch in der Tiefschlafphase sind.  Um 3.20 Uhr holen wir den ersten Mitreisenden ab. Der Flieger soll um 6.10 Uhr starten und zwei Stunden vorher sollen sich die nicht ausgeschlafenen Sangesbrüder und -schwestern am Terminal einfinden. Mein Plan ist, direkt im Anschluss das Naturschutzgebiet Urdenbacher Kämpe im Süden von Düsseldorf anzusteuern und in den Sonnenaufgang hineinzulaufen.

Der Morgen graut.

Der Morgen graut gerade, ich habe Schwierigkeiten den Wanderparkplatz zu finden. Es ist ja noch ziemlich dunkel. Zunächst laufe ich Richtung Rhein, wenn ich von dort nach Osten schaue, müssten doch eigentlich ein paar schöne Fotos vom Sonnenaufgang gelingen. Unter Kopfweiden und einer Streuobstwiese dösen die Schafe noch im Halbschlaf. Die Ruhe zieht mich in ihren Bann. Herrlich! Der Himmel färbt sich langsam blau, am Horizont der erste orange-rötliche Schimmer. Schwarzkehlchen in einem Strauch und an langen Grashalmen stimmen ihr leises Konzert an. Oben in einer Baumruine erwacht eine Krähe, während ein Krähenpärchen erste Zärtlichkeiten austauscht. Eine friedliche Idylle. Auf dem schmalen Pfad am Rhein hoppelt mir ein Feldhase entgegen, stutzt wegen des langen Mannes auf dem Weg, macht Männchen, hoppelt noch ein Stückchen näher, beobachtet mich aus einem Auge und gibt dann Fersengeld. Schon jetzt hat sich mein frühmorgendlicher Einsatz ausgezahlt. Ein tiefes Glücksgefühl überkommt mich.

Die aufgehende Sonne gestaltet zauberhafte Lichtbahnen.

Aber vor lauter Gefühlsduselichkeit habe ich den eigentlichen „Fotoauftrag“ aus den Augen verloren, bzw. gar nicht sehen können. Der Rhein liegt logischerweise tiefer als seine Umgebung und so kann es nichts werden mit Fotos vom Sonnenaufgang. Ich „hetze“ das Ufer hoch, laufe querfeldein über eine Wiese, werde dabei bis zu den Oberschenkeln klatschnass (Morgentau!) und erreiche die Straße von Urdenbach zur Rheinfähre nach Zons. Die Sonne steht gerade erst über dem Horizont, leuchtet durch Bäume hindurch auf die Wiesen und schafft zauberhafte Lichtbahnen. Magische Momente! Zurück am Rhein genieße ich vom Fähranleger den Blick hinüber auf die mittlerweile sonnenbeschienene Rheinseite bei Zons. Erste Angler haben ihre Ruten ausgeworfen. Ob sie auch die ruhige Morgenstimmung genießen? Mir scheint es so. Ich laufe auf dem Pfad am Rhein entlang, fotografiere immer wieder die noch tiefstehende Sonne. Vom Weg zum Urdenbacher Altrhein erfreue mich an schönen Streuobstwiesen. Ein Blaumeisenpaar muss Schwerstarbeit verrichten. Immer wieder steuern sie die Nisthöhle in einer großen Pappel an. Hungrige Vogelküken rufen lauthals nach Futter.

Ein schwergepanzertes Wesen sucht seinen Weg.

Am Urdenbacher Altrhein bin ich nicht mehr allein. Jogger und Hundebesitzer drehen ihre Morgenrunde. Mehrere Vogelfotografen laufen den Weg auf der Suche nach seltenen Vögeln rauf und runter. Ich suche auch, bin aber irgendwie überfordert und will nur noch die Landschaft ein wenig genießen. Gespinstmotten haben mit feinen Netzen aus Ästen und Bäumen Kunstwerke geschaffen. Verhüllungskünstler Christo hätte seine helle Freude. Eine Rotwangen-Schmuckschildkröte läuft den Weg entlang. Wo will das schwer gepanzerte Wesen wohl hin? Das frage ich mich gerade auch und beschließe nach gut fünf Stunden Naturgenuss, den Heimweg anzutreten. Was hatte ich doch für ein Glück an des Tages schönster Zeit!

 

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