Beim Eidechsenkönig

Von Franz (Fotografie) und Michael (Text) – Witten, irgendwo in Bommern gehen wir los. Mit einer gesunden Sonnenschwiele auf der Haut, denn der Vortag war ebenso schön sonnig wie dieser. Oberhalb von „Hai Li“ (chin. Rest.) biegen wir eine ruhige Nebenstraße ab und sitzen wenig später bereits auf einer S-förmig geschwungenen roten Bank. „Mehr als sie von einer Bank erwarten“ steht darauf und es stimmt ausnahmsweise. Den Ausblick über Ruhrtal mit Ruhr-Universität und Burgruine Blankenstein hätten wir so nicht erwartet. Danke, Bank! (Auf den Namen des Banksponsors kann man selber kommen.)

Wanderhosenhosenträger

Einschub: Ständig rutscht und sinkt die Hose; gibt es eigentlich Wanderhosenhosenträger? Mal erkundigen, oder dicker werden in der Taille. Einschub: Ende.

Wir gehen quasi freihändig, folgen zunächst keinen ausgezeichneten Wegen. Franz hat die Tour bei Outdooractive heruntergeladen von einem, der in Witten absolut ortskundig sein muss. Verwinkelt, hinter Gärten entlang, schmale Durchlässe, Pfade, die scheinbar enden, bis sich doch noch ein Loch auftut. Birne, Schlehe und Kirschen blühen, dass es eine schneeweiß-rosa Pracht ist. Neben dem Weg zur Kleinzeche Egbert liegen geschlagene Kiefern und Fichten und verströmen einen Duft nach Harz und Nadelwald. Die Zeche und ihre Relikte sind wirklich klein. Kohleknappheit, kennste ja, ist heute aktuell und war es nach dem Krieg umsomehr. Sechs bis zehn Kumpel schufteten und gruben in der Zeit von 1962 bis 1976 nach oberflächennaher Steinkohle. Fuffzichtausend Tonnen holten sie raus.

Eine Mini-Blindschleiche zwingt uns auf die Knie

Einschub: Dann ein X an einer Fichte. Mein Gott! Erleichterung! Endlich wieder ein amtlich dokumentierter und ausgewiesener Wanderweg (grins). Einschub: Ende.

Eine Mini-Blindschleiche zwingt uns auf die Knie. Mitten auf der Teerstraße, kaum Bleistiftdicke und so allein. Wir brauchen sie nicht – weg vom Weg – zu tragen, sie verzieht sich freiwillig ins Gras.

Die Häuser liegen dösig in der Mittagssonne. Vor einem Gebäude kämpft eine Forsythie mit schreiendem Gelb gegen die ruhig schwellende Birnenblütenpracht über sich an. Dann hat das Muttental, die Wiege des Ruhrbergbaus uns wieder. Man stolpert hier alle naselang über Pingen, Stollen-Mundlöcher oder andere Bergbaurelikte.

Open-air-Museum des Bergbaus

Junge Tagesbrüche zeugen von der Gefährlichkeit des Gebietes. Am Wanderparkplatz Muttental steht ein Dreibaum, das älteste und einfachste Schachtgerüst. Damit wurde Kohle in Tonnen oder Körben mühsam per Winde nach oben gefördert. Am Ende des Tales lädt ein Open-air-Museum des Bergbaus zu einem Rundgang. Hier verwittern allerlei Geräte, von der einfachen Lore bis hin zu hydraulischen Schilden für den Schreitausbau unter Tage.

Eine Schafstelze lenkt uns von der Technik wieder zur Natur hin. Am Eingang des Museums steht übrigens Bärlauch, jedoch in kaum satisfaktionsfähiger Menge. Im Sauerland gibt es Buchenhänge mit unvorstellbar großen Flächen des Lauches. Selbst gesehen, ich schwör!

„Ich bin der Eidechsenkönig“

Aber weiter zu Barbara. Unsere Tour ist zwar schon beendet, aber sie hat ein Schmankerl für die Schlenderer, den Eidechsenkönig. Der einzige Eidechsenkönig, den ich kenne, hieß Jim Morrison, sang bei den Doors und ist seit mehr als 40 Jahren tot. Jim nannte sich selbst Lizard King, er war in enges schwarzes Leder geschlagener Weltschmerz („Ich kann alles, ich bin der Eidechsenkönig“). Die Mauer, die Barbara uns zeigt, liegt, von Gras und Brombeerranken überwuchert, in der Nachmittagssonne. Die schwarzen und dunkelbraunen Steine sind warm, kleine Eidechsen flitzen auf ihr herum. Sie sind manchmal kaum auszumachen auf dem gleichfarbigen Untergrund. Wo ist jetzt der Eidechsenkönig? Da! Sein Rücken oszilliert grünblau, er ist dicker als seine Artgenossen. Zu einer Fotosession lässt er sich nicht herab, keine Audienz, ab ins Spaltenreich. Es gibt ihn also. Zumindest findet das der Volksmund. Die Wissenschaft sagt schlicht: (dicke) Mauereidechse. Wir sagen: Manchmal führt dich eine Wanderung unvermutet zu etwas, das es gar nicht gibt. Dennoch ist diese warme Mauer irgendwo in Witten mit ihrem „Eidechsenkönig“ ein faszinierender Ort.

Franz_Michael_klein

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