Von Franz (Bildschöpfer) und Michael (Narrateur) – Leute, wie ihr an der neuen Autorenzeile unschwer erkennt, wird diese Wanderseite jetzt auf ein höheres Level gehoben. Nach Zeitungsfeuilletons, Kunstszene und Politik arbeiten auch die Schlenderer.de ab sofort mit einem „Narrativ“.

Wenn Du in Amecke an der Staumauer loswanderst und keinen Plan hast, worüber Du schreiben kannst (außer: nach 200 Metern biegen wir links ab, dann nach 1,5 km…), brauchst Du ein Thema, eine Geschichte. Als Schlenderer stolpern wir normalerweise zu Zweit oder zu Dritt durch die Landschaft, einfach so, und nie haben wir ein Narrativ gefunden, geschweige denn in diesem Herbst eine satisfaktionsfähige Menge Steinpilze. „Wo ist da die Geschichte?“

„Was ist deine Geschichte?“

Exakt diese Worte hat seinerzeit unser Chefredakteur gebraucht, um nach dem Kern eines Themas zu fragen. Heute fragt man: „Was ist Deine Geschichte?“ Du/Dein Verein/Deine Partei braucht eine neue Erzählung, die mitreißende Begeisterung erzeugen soll. Uns fällt leider nur ein negatives Beispiel ein: Die Essener SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Hinz hat ihrem mitreißenden Leben Abitur, Jurastudium und Staatsexamen zugefügt. Als ihr Schwindel aufflog, war es für die Journaille natürlich ein super Narrativ. Überhaupt Sozialdemokraten, aktuell gaaanz schlechte Geschichte. Den Wählern müsste man zurufen: „Ihr müsst die SPD mitnehmen, sie abholen, da, wo sie ist!“ (Ziemlich weit unten in der Beliebtheit)

Die Welt in Warm- und Kaltzonen

Wie man sieht, kann man mit einem Narrativ ganz schön weit kommen, ohne überhaupt einen Schritt zu machen. Also zur Sache! Am Sorpesee ist es an diesem winterlichen Morgen -4° kalt, gefühlt, also postfaktisch, mindestens -8° (Tourverlauf streckenweise über die Waldroute guckst Du Grafik unten). Holst Du Atem, werden die Zähne kalt. Die Kiesel auf den Forststraßen sind auf dem Untergrund festgefroren, wir stapfen zu Dritt über den Permafrost des Sauerlandes;-). Die Landschaft scheidet sich in Warm- und Kaltzonen. In der Sonne dümmelt frisch ausgebrachte Jauche auf der Wiese, während sich gegenüber in der Schattenseite der Berge der Grauschleier des Rauhreifs auf die Natur legt.

Eine stille, kalte Schönheit

In einer dieser Kältezonen holt uns das Highlight unserer Wanderung ab: Das Flora- Fauna-Habitat (FFH) Bollenberg in der Meller Hochheide ist eine frostige Wacholderlandschaft, hinreißend! Ein schmaler, zugewachsener und deshalb versteckter Pfad führt hindurch und wir gucken uns die Augen wund an dieser stillen Schönheit. Es fallen sogar noch ein paar Beeren ab für das Wildschweinragout am Wochenende. Eine seltene historische Kulturlandschaft, die in Jahrhunderten durch Beweidung entstand; Schafe mieden die stacheligen Wacholder, hielten aber übrigen Bewuchs kurz. Ein Pendant im Sauerland gibt es nur noch in Elspe im NSG Rübenkamp.

Selbst eine Promenade braucht ein Narrativ

In Amecke an der Uferpromenade des Sorpesees holt uns das Narrativ wieder ein, bzw. es stand schon da. Im „Sorpediamant“ kannst Du deine innere Mitte bei Klängen der Natur und einer Nebeldusche finden, verspricht die Informationstafel vor der dom-artig aufgespannten Plastikhülle. Können wir dem Ding eine neue Geschichte/Verwendung verpassen? Martin schlägt „Sauna“ vor, mit stufenartigen Holzbänken. Der „Diamant“ ist übrigens Teil des barrierefreien „AiRlebnisweges“ am Sorpe-Ufer. Selbst eine Promenade braucht heute ein Narrativ.

Wir haben genug von aufgebauschten Botschaften und kehren in der Genuss-Bäckerei Tillmann ein. Kuchen und Roggenbrot sind klasse, und das ist kein Bullshit!

 

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