Gestatten, Winter!

Von Franz (Fotografie) und Michael (Text) – Gestatten, Winter! – Sehr angenehm. Dürfen wir Ihre Schneedecke betreten? Mit diesen Sätzen könnte man die winterliche Runde um Siedlinghausen kurz + knackig beschreiben.

Erstmal müssen wir Erregungspotential abbauen, und Gründe zum Granteln gibt es genug: Über das endlose Hadern der Parteien, wieder eine möglicherweise vorstellbare eventuelle GroKo einzugehen, das über Wochen gestandene Redakteure und Redakteurinnen in Berlin zu nächtlichem Lunger-Journalismus vor den Parteizentralen zwang. Der unsererseits geschätzte „Phoenix“-Hauptstadt-Reporter Erhard Scherfer fand dafür, angelehnt an ein Lied von Berlin-Rapper Peter Fox, ein paar treffende Verse:

„GroKo, Du kannst so langsam sein“

„Guten Morgen GroKo/Du kannst so langsam sein/So zäh und mau/Du kannst so schön schmerzhaft sein/Deine Nächte fressen mich auf/Es wird für mich wohl das Beste sein/Ich geh nach Hause und schlaf‘ mich aus/Und während ich durch die Straßen lauf/Wird langsam Schwarz zu Blau.“

Wenn jetzt die SPD-Basis (ca. 0,5% der Bevölkerung) diese demokratische Willensbildung bis 4. März noch einmal umkehrt aka ablehnt, dann weiß auch der letzte der 61,5 Millionen Wahlberechtigten, welche bockige Partei er in Zukunft nicht mehr zu wählen braucht.

Absurder Sexismus-Vorwurf

Als Portal für wandernde Lyrik und Poesie (Leitspruch: „Grab the nature by the pussy“ – danke, Donald T.) ist uns natürlich auch der absurde Sexismus-Vorwurf an ein Gedicht von Eugen Gomringer an der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin nicht entgangen. Über den Beschluss, die Verse von „Ciudad (Avenidas)“ von der Gebäudefassade zu tilgen, können wir uns aufregen wie Gernot Haßknecht aus der heute-Show, nur, weil verpeilte Sozialpädagogik-StudentInnen der Hochschule sich an dem Satz „Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer“ stoßen. Selbst der Frauenversteher unserer Wandergruppe (Franz) „versteht das nicht mehr“. Wenn sich diese verstockte Geisteshaltung breit macht, dürfen wir die Lyrik und Poesie und ihre Liebesschwüre, die Literatur, die Bilder und Kunstwerke der vergangenen Jahrhunderte auf den Müllhaufen des grassierenden Gender-Wahnsinns werfen.

*Anmerkung: Die Einschübe sind natürlich „nur“ der Tatsache geschuldet, dass im Winter im Wald nichts los ist und wir irgendwas schreiben müssen.

Das Gezeter zweier Schlenderer

Tja, was macht man mit solchen Energien? Abschmelzen, indem man aus Siedlinghausen zügig und stracks durch den Schnee zum Bergsee oberhalb es Ortes aufsteigt. Es hat sich aber mit Bergseegucken, weil der abgesoffene Steinbruch mit Stacheldraht verrammelt ist wie das NATO-Hauptquartier. Also weiter durch eine stille Winterlandschaft, in der nur ab und zu das Gezeter zweier Schlenderer nachhallt. Der Schnee kaschiert gnädig die breiten Schotterwege, auf denen wir uns meist bewegen. Unter azurblauem Himmel schwenken wir auf eine Teilstrecke der Winterberger Hochtour ein, sinnieren kurz über das Paradoxon des Baches mit dem Namen „Namenlose“ und das Betreben von Franz, den Platz seines Zeltlagers vor 55 Jahren in Siedlinghausen ausfindig zu machen. Und, was willst Du dann machen, Franz, ausgraben? Hihihi.

Oberhalb von Silbach gönnen wir uns eine Bankpause und gucken Landschaft. Am Hang gegenüber müssen wir einen steilen Stich zum Silberberg hoch kantappern. Spätestens jetzt ist der Unmut über GroKo und Avenidas verraucht.

Die Aussicht über die Heimat der Hügel

Wir überlassen uns dem Luxus, auf einer geschlossenen Schneedecke zu wandern, genießen die Farben, das gleißende Licht, die Wärme der Sonnenstrahlen, die Weite, die Aussichten über die Heimat der Hügel. Aufsteigende Feuchtigkeit in der Nacht hat ganze Waldzüge im Schatten der Sonne mit einer eisgrauen Haube überzogen. Am St.-Blasius-Platz rasten wir an einem Tisch, gekrönt mit dicker Schneehaube. Kristalle blinzeln uns zu, der Teebecher schmilzt sich in den Schnee wie ein heißer Urankern und Du denkst: Schöner kann der Tag nicht werden.

 

 

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